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Pressemitteilung: Audimax-Besetzung gegen Studiengebühren in Freiburg

megaphone-750x420Die Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg befürwortet die Besetzung des Audimax der Universität in Freiburg. Die Forderung der Studierenden keine Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger*innen einzuführen teilen wir. Wir begrüßen es, dass Studierende sich für freie Bildung einsetzen!

“Es kann nicht sein, das Wissenschaft, in Forschung und Lehre, zur Ware gemacht wird” kommentiert Vanessa Kohm vom Landessprecher*innenrat der Linksjugend, weiter: “Bildung ist essentiell für die Gesellschaft sowie einzelne Menschen. Der Zugang zu ihr darf nicht abhängig sein vom Geldbeutel der Eltern! Dies gilt unabhängig von der Herkunft der Studierenden. Menschen auf Grund ihrer Herkunft unterschiedlich zu behandeln ist eine nicht hinnehmbare Diskriminierung.”

“Gleichzeitig möchte die Grün-Schwarze Landesregierung auch Gebühren für ein Zweitstudium einführen”, ergänzt Aljoscha Hartmann, Landessprecher der Linksjugend Ba-Wü. “Statt Menschen zu fördern, die sich mehr Wissen aneignen wollen, wird ihnen Steine in den Weg gelegt. Doch damit nicht genug, gleichzeitig sollen alle Studis mehr zahlen. Aus dieser schleichenden Erhöhung ist die Wiedereinführung allgemeiner Studiengebühren zu befürchten.”




Stellungnahme: Bildung muss offen für alle sein. Gemeinschaftliche Finanzierung statt Studiengebühren!

lernfabriken_meutern“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.” (Artikel 3, Absatz 3, Grundgesetz).

Wir, Studierende und Jugendliche sowie Engagierte und politisch Aktive, lehnen den Vorstoß des Baden-Württemberger Wissenschaftsministeriums, Studiengebühren wieder einzuführen, ab. Baden-Württembergs “Grüne” Wissenschaftsministerin Theresia Bauer plant die Einführung von Studiengebühren für internationale Studierende. Dabei sollen Nicht-EU-Bürger*innen für ein Studium in Baden-Württemberg pro Semester 1.000 bis 2.000 Euro zahlen, der Betrag für alle anderen Studierenden um 10€ ansteigen und ein Zweitstudium in Zukunft 650 Euro pro Semester kosten. Begründet wird diese Maßnahme damit, dass das Ministerium 48 Millionen Euro einsparen soll, um eine “schwarze Null” zu erreichen. Bisher fand über die konkreten Überlegungen keinerlei öffentliche Debatte statt, Studierende wurden weder gefragt noch einbezogen, obwohl sie eine eigene Vertretung haben.

Diese Absicht ist auf mehreren Ebenen fatal für eine gerechte Bildung. Bildung an und für sich ist ein Grundrecht und muss allen offenstehen. Daher sollten neben den Hochschulen auch alle anderen Bildungswege kostenfrei sein (Meister*in, Techniker*in, und jegliche Ausbildung). Nicht das vorhandene eigene Vermögen (bzw. das der Eltern) sollte dafür ausschlaggebend sein, für welche Ausbildung man sich entscheidet, sondern das Interesse.

Nicht die zu beliebten Ausbildungen sollten im Zugang beschränkt werden, sondern die zu wenig beliebten attraktiver gemacht werden. Die Wiedereinführung von Studiengebühren steht dem diametral entgegen. Statt eine solidarische Finanzierung der Bildung der nächsten Generation zu gewährleisten, soll diese auch noch zahlen. Bildung wird damit zur Ware und zum Privileg degradiert, obwohl Bildung die Basis einer jeden demokratischen und offenen Gesellschaft darstellt. Jedem Menschen müsste dies eigentlich zutiefst zuwider sein.

Die Forderung, dass “Nicht-EU-Bürger*innen” zahlen sollen, ist diskriminierend. Kein Mensch ist schuld daran, welche Staatsbürger*innenschaft er bei der Geburt bekommt. Dies dann als Kriterium zu verwenden, um Geld für ein Studium zu verlangen, dient nur einem Zweck: Jene mit Geld ins Land zu holen und alle anderen fernzuhalten. Diese Forderung widerspricht nicht nur den Menschenrechten, sondern auch unserem eigenen Grundgesetz. Artikel 13 des von Deutschland ratifizierten UN-Sozialpaktes mahnt sogar an, dass finanzielle Hürden zum Zugang zu Bildung nicht höher gelegt werden dürfen, sondern permanent abgebaut werden müssen.

Gleiche Chancen auf Bildung unabhängig von der Herkunft und Zahlungskraft der Eltern ist eines der großen Ziele, die wir für eine gerechte und demokratische Gesellschaft anstreben müssen.

Ferner ist es absurd, Menschen, die ein Zweitstudium beginnen, zum Zahlen zu verpflichten. Ein Zweitstudium dient dazu, sich selbst weiterzubilden und eigene Kompetenzen zu erweitern. Gerade in Zeiten der Informationsgesellschaft wäre es fatal, diese Möglichkeit Menschen aus finanziellen Gründen zu nehmen. Dazu zählen ebenfalls die oben genannten Gründe sowie auch das hart erkämpfte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das auch im Grundgesetz verankert ist. Wenn wir wollen, dass wir uns alle frei entfalten können, dürfen wir auch einem Zweitstudium keine zusätzlichen Hürden in den Weg stellen!

10 Euro mehr im Semester mögen auf den ersten Blick nicht nach viel klingen, doch wenn dies zum derzeitigen Semesterbeitrag noch hinzukommt, der ohnehin jährlich aufgrund “erhöhter Verwaltungsausgaben” steigt, dann kommt Mensch schon auf beachtliche Summen, die Studierende an die Hochschule/Universität zahlen. Bei diesen 10 Euro wird es nicht bleiben. Weitere Erhöhungen, sobald einmal Gebühren beschlossen sind, sind garantiert. Es dauert dann nicht mehr lange, bis wir wieder bei Studiengebühren von mehreren Hundert Euro für alle Studierenden sind.

Studiengebühren unterminieren alle Bemühungen, Chancengerechtigkeit im Bildungsbereich herzustellen – ein Bereich, in dem Deutschland großen Nachholbedarf hat. Dass diese Forderungen von der Partei kommen, welche maßgeblich von den Protesten gegen Studiengebühren profitiert hat, ist an Zynismus kaum zu übertreffen.

Das Ganze noch unter den Vorwand der “schwarzen Null” und angeblicher Sachzwänge zu stellen, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Die Austeritätspolitik, die hinter der “schwarzen Null” steckt, ist sowohl wirtschaftlicher Irrsinn als auch gezieltes Selbstentmachten der Parlamente. Regierungen müssen investieren und wirtschaftliche Abschwünge ausgleichen können. Statt diesen “Sachzwang” als Begründung für elitäre Maßnahmen zu verwenden, wäre es an der Zeit, dass die Grünen endlich einmal die Logik des Kaputtsparens durchbrechen und nach solidarischen Methoden der Finanzierung Ausschau halten; Vorschläge gibt es zur Genüge.

Die Bildung aller Menschen ist das Kriterium, welches unsere Zukunft bestimmt. Lasst es uns nicht selbst kaputtmachen. Für eine staatliche Vollfinanzierung der Bildung, offenen Zugang für alle und gegen jeden Versuch, Bildung zur Ware verkommen zu lassen!

Unterzeichner*innen:

Bundesverband ausländischer Studierender (BAS)

Arbeitskreis Freie Bildung

Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS)

AStA der Hochschule Mannheim

AStA der Universität Potsdam

Verfasste Studierendenschaft der Hochschule Biberach

Verfasste Studierendenschaft der Universität Konstanz

StuRa Uni Freiburg

Offene Uni Heidelberg

DIE LINKE. Baden-Württemberg

Piratenpartei Baden Württemberg

Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg

Die Linke.SDS Karlsruhe

campus:grün köln

Campusgrün Freiburg

Jennifer Sarro, Sprecherin für politische Bildung, Verfasste Studierendenschaft der PH Freiburg

Laura Halding-Hoppenheit, SÖS-LINKE-PluS




Mit Exzellenz gegen die Interessen der Studierenden?

elfenbeinturm

Am Donnerstag Abend haben die Ministerpräsident*innen der Länder der Exzellenzinitiative doch zugestimmt. Nicht nur Hamburg, das im Vorfeld ein Nein angekündigt hatte, ist eingeknickt, auch Brandenburg (LINKE-Regierungsbeteiligung) und Thüringen (LINKE-Landesregierung) haben zugestimmt. Dabei hätte eine Stimme gereicht, um die Exzellenzinitiative im Bundesrat abzulehnen. Die Zustimmung zur Exzellenzinitiative widerspricht allem, wofür wir zusammen mit der Partei und dem Studierendenverband seit Jahren streiten. Deshalb kritisiert die Mitgliederversammlung der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg die Zustimmung der Landesverbände in Brandenburg und Thüringen vehement!

Die Exzellenzinitiative ist ein Programm des Bundes, wodurch in einem Wettbewerb zwischen den Universitäten wenige ausgewählt werden, welche von den Milliardenzuschüssen profitieren. Von diesen Geldern des Bundes werden gezielt einzelne, wenige, “Elite”-Unis stark bevorzugt und die anderen Hochschulen bleiben (finanziell) auf der Strecke. Zudem profitiert mehrheitlich die Forschung von den Maßnahmen – die Lehre, und damit die Mehrheit der Studierenden, geht dabei leer aus. Endergebnis dieses Projekts sind also einige wenige Elfenbeintürme nach englischem und amerikanischem Vorbild und unterfinanzierte Lernfabriken für den Rest.

Die Exzellenzinitiative ist ein Elitenprojekt zur Umstrukturierung der Hochschullandschaft weg vom Bildungsideal (“für Alle”) und hin zu einem Wettbewerb zwischen unternehmerischen Standorten. Gegen diese Logik wenden wir uns seit der Einführung der Exzellenzinitiative zusammen mit den Studierenden, den Gewerkschaften, einigen Professor*innen und der FAZ. Dass DIE LINKE nun in zwei Bundesländern gegen das eigene Parteiprogramm sich an dieser Verstärkung von Konkurrenz und Leistungszwang beteiligt, ist unverständlich.

Wir sind wütend und enttäuscht über die Entscheidung der Landesverbände in Brandenburg und Thüringen. Eine derartige Regierungsbeteiligung ist das Gegenteil von fortschrittlicher Politik. Wir haben keine Illusionen, dass DIE LINKE in der Regierung den Sozialismus herbeiführt, aber sie muss sich entschieden gegen solch verrückte, neoliberale Projekte stellen!

#1lifemussdrinsein

Beschlossen von der Landesmitgliederversammlung der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg am 18.6.16.



[Artikel] „Pick-Up-Artists“ und Casanovas – eine künstlerische Technik der Liebe?

Anm. von uns: Dieser Artikel wird im Kontext der gemeinsamen Aktion gegen die versuchte Zensur von Kritik an sogenannten Pick-Up-Artists (PUA) von uns veröffentlicht. Da die PUA-Szene mit Abmahnungen reagiert, wurden die Namen der PUAs mit “xxxx” ersetzt.

Text: fantifa.frankfurt, Juni 2015

In dem von der AWO getragenen Verein K12 (Kriegkstraße 12) im Frankfurter Gallus gibt es jüngst Auseinandersetzungen um die politische Ausrichtung des Vereins. Ende 2014 übernahm ein neuer Vorstand ruckartig die Leitung des Vereins. In dem neuen Vorstand der Kriegkstraße 12 ist ein selbsternannter „Pick-Up-Artist“ der Frankfurter Flirtagentur xxxx aktiv. Die Agentur möchte Männern* Techniken vermitteln, um „Frauen zu verführen“ xxxx. Der aktuelle Vorsitzende des K12, xxxx, verharmlost die Aktivitäten seines Mitstreiters xxxx und behauptet in der Frankfurter Rundschau xxxx sei „nicht frauenfeindlich”.

Die Pick-Up-Szene und somit auch xxxx als ein Teil von ihr ist jedoch selbstverständlich frauen*feindlich. Etwas anderes zu behaupten ist nicht nur naiv, sondern viel mehr Ausdruck eines reaktionären und sexistischen Gesellschaftsverständnisses, welches leider noch viel zu oft geltende Normalität für sich beanspruchen darf und kann.

Das Selbstverständnis des, von Jusos in der SPD dominierten, neuen Vereins in der Kriegkstraße lautet auf Facebook unter anderem:  „Wir wollen es nicht einfach hinnehmen, in einer Gesellschaft zu leben, die auf der wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Missachtung Einzelner oder ganzer Gruppen aufbaut.“ Doch die sogenannte „Pick-Up-Szene“ baut auf genau solch einer politischen Missachtung der Rechte, Haltungen und Mündigkeit von Frauen* auf. Wie passt das zusammen?

Die „Pick-Up-Szene“ im Allgemeinen und xxxx Arbeitsgeber, die Agentur xxxx im Besonderen, sind nicht lediglich für „Flirt-Coachings“ zuständig, wie es in der FR heißt. Ziel der Szene ist es, in kürzester Zeit mit so vielen Frauen* wie möglich zu schlafen, bzw. sie zu letzterem auf mehr oder weniger subtile Weise zu zwingen.

Die „Pick-Up-Szene“ wurde vor allem durch ihren bekanntesten Vertreter, xxxx bekannt. Jener ruft unter anderem in seinem Unternehmen xxxx offen, direkt und ohne Scheu zu Vergewaltigung an Frauen* auf. In den Coaching Seminare empfiehlt jener selbsternannte Frauen*versteher den Männern*, Frauen* mit Gewalt – sein bekanntester „Trick“ ist der Würgegriff – zum Sex zu bringen; getreu nach dem Motto „sie wolle es doch auch“. Ein YouTube-Video von xxxx zeigt ihn in einer Fußgängerzone Tokios, wie er Frauen* am Nacken packt und ihre Köpfe in seinen Schoß drückt.

Mit Flirten, Koketterie oder auf gegenseitigem Respekt aufbauender erotischer Annäherung hat das nichts zu tun. Daher verwundert es nicht, dass xxxx den Ausdruck „Verführen“ für sich in „Führen“ umgewandelt hat; Frauen* bekäme man schließlich nur ins Bett, wenn man sie „führen“ könne. Sein Ziel: Macht über Frauen* und ihre Körper auszuüben, Dominanz auf Widerstand aufzubauen (denn ein deutliches „nein“ der Frauen* sei nach xxxx erst der genuin weibliche Ausruf des Wunsches nach Sex), Unterdrückung und Vergewaltigung zum männlichen Prinzip zu erklären.

xxxx Coaching in der Agentur xxxx in Frankfurt am Main tritt in harmlos erscheinendem Gewand auf. Laut xxxx ginge es bei dem „Pick-Up-Coaching“ darum, „man selbst zu sein“ und „in sich selbst zu investieren“. „Authentizität“ sei ihm wichtig, denn nichts sei schlimmer als „Fake“. „Man selbst sein“ ist selbstverständlich nur Männern* vorbehalten, denn es ist nach xxxx Ausdruck der Männlichkeit per se. Wenn eine Frau* meint, Mündigkeit und eigene Entscheidungskraft sei Ausdruck ihrer selbst, so weiß xxxx sofort, dass dies nur eine „Masche“ ist. Sagt eine Frau* nein zu seinen „Flirtversuchen“, so ist dies für ihn erst recht Anreiz, sie weiter zu belästigen. In einem von der ARD gedrehten Videoclip von 2014 ist xxxx- zusehen, wie er Frauen* in der Frankfurter Fußgängerzone anspricht. Zu seiner „realness“ gehöre es „ehrlich zu sein“, indem er Frauen*, die ihm gefallen – diese sind, wie nicht anders zu erwarten, alle dem normativen Schönheitsideal entsprechend jung, dünn und großbusig – sage: „Hey, du hast schöne Brüste, einen schönen Hintern.“ Von Gewalt in der Szene distanziere sich xxxx. Mit „ein bisschen Humor“ könne er auch erfolgreich sein. Das Ziel, möglichst viele Frauen* ins Bett zu kriegen, teilt xxxx. Er selbst glaubt bloß, er besäße einen „Werkzeugkasten“ (xxxx), der physische Gewalt an Frauen* nicht benötige. Selbst wenn dem so wäre, dann ist und bleibt die Art und Weise der Überredung, der Belästigung, der Einengung – all das was die „Pick-Up-Artists“ verharmlosend „Techniken“ nennen – schlechterdings auch Gewalt.

Pick-Up-Artists“ wie xxxx versprechen Männern* mit den richtigen „Skills“ hundertprozentigen „Erfolg“ bei Frauen*. Sie glauben daran, dass sich Flirten und Koketterie professionell technisieren ließe und durch die Anwendung der Techniken Frauen* „nicht anders können“ als sich von ihnen “verführen“ zu lassen. Durch diesen Glauben an die immer gleiche Wirksamkeit der redundanten Flirttechniken – xxxx findet jede Frau* die er in genanntem Video anspricht „so verdammt hübsch“ und will mit allen „einen Kakao trinken gehen“ – stellen sich die Männer* als dominante, wissende Akteure dar, während Frauen* zu austauschbaren Waren objektiviert werden. Denn wenn ein und dieselbe Technik für alle Frauen* gültig sein soll, dann müssen die Pick-Up-Artists ihrer eigenen Logik nach annehmen, dass alle Frauen* gleich sind; ergo keine individuellen Subjekte. Andernfalls bräuchten sie Millionen verschiedene Techniken oder müssten anerkennen, dass Flirten nur dann Flirten ist, wenn alle Beteiligten es wollen.

Das von dem Soziologen Georg Simmel beschriebene Spiel zweier (oder mehrerer) Flirtpartner*innen hingegen basiert fundamental auf der Möglichkeit, sich mündig für oder gegen einen Flirt zu entscheiden. Das Flirten ist für Simmel deswegen interessant und zuweilen erotisch, weil es stets mit der Ungewissheit operiert, ob die andere Person sich annähern wird oder nicht. Ungewiss ist das Begehren der anderen Person also, weil ich von der Möglichkeit ausgehen muss, dass sich die andere Person jederzeit abwenden kann.
Diese Ungewissheit und die stets anwesende Möglichkeit, nein zu einem Flirt zu sagen, kann es im „Pick-Up-Coaching“ nicht geben, sonst wäre die erfolgsversprechende Technik keine Technik mehr und die Anwendung derselben scheiterte. Daher bauen xxxx Anmachen und die seiner Kollegen fundamental auf einer Machtasymmetrie auf: Frauen* sind „Objekte“, deren mögliches „Nein“ ohnehin nicht akzeptiert wird, da es in der Technik der Pickup-Artists nicht vorgesehen ist, weil Männer* die aktiven Subjekte sein sollen.

Seltsam mutet in diesem Kontext zudem die Selbstbezeichnung „Artist“ an: Ist jemand, der für sehr viel Geld lernt, wie man Frauen* ins Bett kriegt, ein Künstler? Was hat das Erlernen von Techniken der Unterdrückung mit Kunst zu tun? Ist es kreativ, zwanzigmal täglich Frauen* mit dem gleichen Spruch anzumachen?

Unbeachtet bleibt, und das ist trotz der widerlichen Tragik dieser Szene interessant, dass durch die Betonung des Coachens, Lernen, Weiterbildens und Bearbeitens von Maskulinität und Männlichkeit sich letztere noch in ihrer zwanghaft heterosexuellen Typologie als eine Geschlechtlichkeit herausstellt, die nicht qua Geburt gegeben ist, sondern erlernt werden muss. Schließlich können, so xxxx Co, alle Männer* die zuvor schüchtern, zurückhaltend und emphatisch waren – in den Pick-Up-Artist Augen also unmännlich – lernen, „richtige Männer“ zu sein.

In diesem Sinne ist xxxx als Teil der „Pick-Up-Szene“ Ausdruck eines antifeministischen Roll-Backs, an dem sogenannte Maskulinisten, die selbsternannten Gender-Gegner beiPEGIDA, HoGeSa, AfD, CDU, CSU (usw.!), aber auch der allgemeine konservative Normalzustand, beteiligt sind.

Den selbsternannte Verführungskünstlern und Maskulinisten sei hiermit der Kampf angesagt.

Für eine Flirtkultur der Mündigkeit und Lust aller Beteiligten, gegen gelebte Omnipotenz- und Vergewaltigungsphantasien.