Resolution: Für ein Leben in Freiheit, fern vom zwingenden Blick der Kontrollgesellschaft!

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foucaultBeschlossen auf der LMV (Landesmitgliederversammlung) vom 17.-19.6.16 in Freiburg.

Am ersten Juni hat die Bundesregierung ein Anti-Terror-Gesetz beschlossen, mit dem sie in neun verschiedenen Gesetzen weitgehende Veränderungen erreichen will. Mit Eingriffen in die Gesetze für das BKA, die Bundespolizei, den Bundesverfassungsschutz und BND, das Visa-Informationssystem-Zugangsgesetz, das Artikel 10-Gesetz, das Vereinsgesetz, das Strafgesetzbuch und das Telekommunikationsgesetz, versucht die Große Koalition damit unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung Freiheitsrechte zu entziehen. So soll die Nutzung von Prepaid SIM-Karten nicht mehr Anonym möglich sein, die Rechte der Bundespolizei weiter ausgeweitet und der Datenaustausch mit ausländischen Geheimdiensten verstärkt werden, Löschfristen von Daten verlängert werden und Strafen im Strafgesetzbuch verschärft werden (natürlich auch bei Straftaten die nichts mit Terror zu tun haben). Gleichzeitig sollen durch eine Reform des BND viele der illegalen Handlungen des Geheimdienstes in letzter Zeit legalisiert werden, statt Misstände und illegale Praktiken einzustellen.

Diese Vorgänge sind eingebettet in den Sicherheitsnarrativ der seit dem 11. September die Innenpolitik dominiert. Durch das Beschneiden vieler Freiheitsrechte von Staatsbürger*innen (wer kein Pass hat, hat eh keine Rechte) wird damit die staatliche Kontrolle über die Bevölkerung ausgeweitet. Aufbauend auf die Gesetzgebung die im deutschen Herbst die Grundlage für Terrorismusbekämpfung, aber auch weitreichender Überwachung von Menschen, geschaffen hat werden so die Errungenschaften der offenen Gesellschaft aufgegeben.

Konforme Objekte statt freie Individuen

Dieser Prozess ist jedoch viel mehr als eine Kapitulation der liberalen Gesellschaft vor dem Terror. Durch die Aufgabe unserer Freiheitsrechte haben die Terrorist*innen nämlich schon längst gewonnen. Es ist es ein tiefgreifender Prozess hin zu einer Kontrollgesellschaft, welche im Kapitalismus verankert ist. Der Kapitalismus als System basiert auf starke Machtverhältnisse, welche die Konformität der Massen mit dem herrschenden System sicherstellen sollen. Die Funktion von Überwachung und Strafen innerhalb dieses System ist es, jeden Mensch an die Verhältnisse anzupassen, die Konformität mit dem Herrschaftssystem zu sichern und so alle Abweichenden zu „Normalisieren“.

Die schwebende Gefahr der Bestrafung, die allzeit präsent ist, dank Videokameras, Mobilfunküberwachung, aber auch dem alleinigen Wissen, dass Mensch überwacht werden könnte, dient dazu einen „zwingenden Blick“ herzustellen. Dieser soll sicherstellen, dass alleine die Möglichkeit der Bestrafung ausreicht, um Individuen einer selbst auferlegten Kontrolle zu unterwerfen. Aus diesem Prozess ist die heutige Kontrollgesellschaft hervorgegangen, die sich nicht nur der Disziplinierung in den Institutionen (wie Schulen, Universitäten, Fabriken oder Gefängnissen) bedient, sondern inzwischen die Selbstkontrolle der Subjekte erreicht hat. Wer im herrschenden System überleben will, muss Verwertbar sein. Um Verwertbar zu sein, muss man Konform gehen und sich im Konkurrenzkampf gegenüber anderen abgrenzen.

Kontrolle im Namen des Kapitals

Die Unterordnung unter die Kontrollgesellschaft des kapitalistischen Systems ist inzwischen so selbstverständlich, dass sich kaum noch Widerstand gegen neue Überwachungssysteme in Erscheinung tritt. Dabei wird die marktkonforme Demokratie erst aufrecht erhalten, wo sich jeder Mensch dem Zwang zur Verwertbarkeit unterwirft. Der Ausbau staatlicher Überwachungsapparate ist folglich ein Mechanismus um den Erhalt des modernen Kapitalismus zu garantieren, und genau deshalb wird dieses Projekt politisch vorangetrieben. Es geht dabei nicht um den Terror, es geht um die garantierte Sicherung der kapitalistischen Machtverhältnisse.

Doch diese Gesellschaft der totalen (Selbst-)Überwachung im Namen der Verwertbarkeit ist keine, in der wir Leben wollen! Wir haben keine Lust unser ganzes Leben dafür zu kämpfen den besseren Arbeitsplatz, die leicht höhere Rente (sofern es in 50 Jahren überhaupt noch Renten gibt), den besseren Ausbildungsplatz oder die beste Aussichten auf „hohe“ Positionen zu bekommen. Der Leistungszwang dieses Systems ist Krankhaft. Er hindert uns daran kreativ zu sein, neue Dinge auszuprobieren, eigene Wege einzuschlagen und auch tatsächlich menschliche Beziehungen (statt Konkurrierende) mit den Menschen um uns herum aufzubauen. Eine Orientierung an Leistung, in den starren Regeln der Wirtschaft, bringt uns nichts, wofür wir als freie, denkende Individuen arbeiten wollen, sondern ist nur ein Instrument der Unterdrückung unserer Freiheit. Die Kontrolle durch den Staat und durch Arbeitgeber*innen lehnen wir ab, den sie hindert uns daran, aus dem ewigen Rattenrennen der Konkurrenz auszubrechen.

Deshalb lehnen wir uns auf, gegen staatliche und wirtschaftliche Überwachung, gegen den Terror des Leistungszwangs und gegen die Fremdbestimmung unseres Lebens! Wir stellen uns gegen jedes neue „Sicherheitsgesetz“, jedes „Antiterrorgesetz“, jeden Versuch die Demokratie dem Kapitalismus zu unterwerfen und gegen jeden Geheimdienst!

Wir treten ein für ein Leben ohne Herrschaft und ohne Ausbeutung, eine Gesellschaft ohne Überwachung, wo jede*r tun und lassen kann was er*sie möchte. Unser Kopf ist selber groß genug: Für eine Welt, in der wir aus freien Stücken miteinander unser Leben gestalten!