Haftende Hetze- Immer mehr rechte Sticker in Rottenburg

Aus Geschichtsbüchern und Dokumentarfilmen kennen wir die Schilder aus dem Jahr 1933 mit der Aufschrift: „Juden sind hier nicht erwünscht“. Was in den Jahren darauf folgte ist jedem Bekannt. Wenn wir heute durch Rottenburg gehen, sehen wir immer öfter Sticker oder Plakate mit dem Spruch „Refugees not Welcome“. Es ist wortwörtlich nicht zu übersehen: Es gibt immer noch Menschen, die an faschistischen Ideologien festhalten und versuchen diese Ideologie mehr und mehr in unsere Mitte zu tragen.

Naziparolen, Flugblätter und Nazisymbole sind in der Öffentlichkeit verboten. Diese Taten können mit einer hohen Geldstrafe oder mit bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Dies geht aus § 86a des deutschen Strafgesetzbuches hervor. Doch hier in Rottenburg und Umgebung finden wir trotzdem immer häufiger rechtsextreme Parolen und Symbole. Es ist in der letzten Zeit schon fast normal geworden, dass Hakenkreuze an Schulen in Tische und Fenster geritzt werden, zahlreiche rechtsextreme Sticker an Spielplätzen, Kindergärten und Schulen kleben oder Plakate mit fremdenfeindlichen Parolen an Stromkästen und Zigarettenautomaten angebracht sind. Diese sind dort tage-, wochen- oft sogar monatelang zu sehen. Teilweise werden an Schulen rechtsradikale Symbole, sogar über Jahre hinweg, nicht entfernt. Das ist mehr als fatal, wenn man bedenkt, dass so bei manchen jungen Menschen leicht der Eindruck entstehen kann, dass rechte Hetze und faschistische Propaganda toleriert wird. An Schulen ist es die Pflicht der Schulleitung und der LehrerInnen besagte Schmierereien umgehend zu entfernen.

In der Stadt waren es zunächst nur vereinzelte Sticker. Auf ihnen war z.B. „NS-Area“ zu lesen, was nationalsozialistischer Bereich bedeutet, „Antifabanden zerschlagen“ oder „Refugees not welcome“. In den letzten Monaten wurden es immer mehr Schmierereien (z.B. große Hakenkreuze) und es häuften sich Sticker mit Aussagen wie z.B. „Nazi-Kiez“. Ende 2016 wurden dann „NS-Area“ DIN-A3 Plakate an Öffentliche Plätze in Rottenburg gekleistert. Diese sind schwer zu entfernen, kleben in Teilen immer noch und sind ein dauerhafter Schandfleck in unserer Stadt. Erst in den letzten Tagen musste man „Nationaler Sozialismus Jetzt“ an vielen Orten z.B. am Eingang des Sumolucena-Museums lesen. Besonders hervorgetreten durch zahlreiche Sticker ist der 3.Weg, eine rechtsextreme-neonazistische Kleinpartei. Sie wurde 2013 unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger NPD-Funktionäre gegründet. Mitglieder der Partei in Mainz brüsten sich z.B. damit, 2014 an einem Brandanschlag auf ein Asylheim mitverantwortlich zu sein. Diese und weitere rechte Gruppen verbreiten hier in Rottenburg ihr menschenfeindliches Gedankengut.

An öffentlichen Plätzen, der Altstadt, sowie in Wohngebieten und Gemeinden wird Rottenburg in letzter Zeit gerade zu mit Stickern und hetzerischen Schriftzügen übersät. Wir bitten die Stadt(-verwaltung) deshalb nachdrücklich in Zukunft schneller und gründlicher gegen diese Nazipropaganda vorzugehen und so ihrer Verantwortung, vor allem gegenüber der jungen Generation, nach zu gehen. Aber auch jeder Einzelne ist dazu aufgerufen, nicht einfach weg zu schauen, sondern aktiv gegen diese Verschmutzung unserer Stadt vorzugehen.

Neben der öffentlichen Präsenz durch Sticker etc. in Städten erreichen rechte Gruppierungen Jugendliche über das Internet. In sozialen Netzwerken werden hetzerische Posts veröffentlicht und die hier so aufgefallenen Sticker und Plakate verkauft. Man hat es immer noch nicht geschafft, den Rechten solche hasserfüllten Posts und das Geschäft mit der Hetze zu verbieten. Rechte Propaganda wird so legal online verbreitet und gehandelt. Dadurch haben Neonazis heutzutage eine enorme Reichweite, gerade bei der Jugend. Die Nazis von heute sind nicht mehr nur noch die „Glatzen in Springerstiefeln“. Sie sind jung, auf den ersten Blick vielleicht cool, auf den selben Plattformen wie die Jugendlichen aktiv- und rechtsextrem. In den Medien wird zur Zeit des Öfteren über die Identitäre Bewegung berichtet. Sie hat auf Facebook über 43 000 „gefällt mir”-Angaben. Besonders durch die mediale Präsenz auf sozialen Netzwerken kommen sie bei Jugendlichen gut an, und können sie so leichter für ihre Sache zu gewinnen. In einem von ihnen veröffentlichten Video (Mit dem Titel: „Kriegserklärung“) hetzen junge Männer und Frauen gegen eine “erzwungene Mischung der Rassen”, sie sehen sich als “Opfer der 68er-Bewegung”, warnen vor dem “Multi-Kulti-Kollaps”. Untermalt ist ihre Botschaft mit epochaler Musik. Massiv hetzen sie gegen Muslime. Diese Stimmungsmache gegen Angehörige einer Religionsgemeinschaft erinnert stark an die Aktionen der Nationalsozialisten Anfang der 1930er. Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent bestätigt: “Ihr Ziel ist vergleichbar mit einer völkisch-nationalistischen Bewegung der Weimarer Republik.” Auch in Kreisen der AfD finden sich immer wieder Sympathisanten der Faschisten. Im April 2016 besuchte der Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation Sachsen-Anhalts “Junge Alternative”, Jan Wenzel Schmidt, eine Aktion der Gruppierung im Harz und trat auch schon als Redner bei der IB auf. Der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider war auch schon Gast bei Aktionen der “Identitären”. Auf einer Magdeburger AfD-Demo im November traten wiederum zwei Musiker auf, die sich als “Aktivisten der Identitären” bezeichneten. Die Identitäre Bewegung hat Zugang zu den Jugendlichen gefunden und es ist an uns allen, jungen Menschen ganz deutlich zu zeigen, dass Faschismus und Nationalismus keine Alternativen sind. Durch Sticker und Plakate werden Jugendliche auf solche Gruppierungen aufmerksam. Besonders für junge Erwachsene mit ohnehin schon rechtem Gedankengut sind die abgedruckten Parolen ein Ansporn, beflügelt ihre Fantasie und lässt sie diese, im schlimmsten Falle, dann in die Tat umsetzen.

In den letzten Jahren sind Menschen in unser Land gekommen, die vor Krieg, Verfolgung, physischer wie psychischer Gewalt und Armut fliehen. Es ist einfach unfassbar, dass es Personen gibt, welche die Unterkünfte dieser Menschen mit Flaschen bewerfen, wie es im vergangen Jahr in Dettingen passiert ist. Sie versuchen Geflüchtete einzuschüchtern, ihnen Schaden zuzufügen und sie zu verletzen. Es sind genau diese Personen, die Rottenburg mit Stickern und Plakaten überschwemmen. In Gönningen musste man auf dem Gelände einer geplanten Flüchtlingsunterkunft Plakate mit der Aufschrift: „Islam töten“ lesen. Im Dezember 2015 beleidigte ein 22 jähriger Mann, am Rottenburger Bahnhof zwei Frauen aus Gambia rassistisch, griff sie an und verletze eine der beiden dabei schwer. Solche schrecklichen Taten häufen sich vermehrt in den letzten 3 Jahren. Wir rufen dazu auf, nicht weiterhin nur eine schweigende Mehrheit sein, die solche rassistischen Taten verurteilt. Wir müssen uns sichtbar dagegen stellen. Sticker entfernen oder überkleben, wählen gehen, im privaten Kreis klar Position beziehen und öffentlich Aufstehen gegen Faschismus. Lassen wir uns von ein paar wenigen lauten Neonazis nicht einschüchtern, sondern lasst uns durch unser Handeln lauter sein. Zeigen wir, dass Rottenburg nicht braun sondern bunt, nicht faschistisch sondern tolerant, nicht abgeschottet sondern offen, nicht voller Hass sondern voller Solidarität ist. Sodass sich hier in Rottenburg jeder willkommen fühlt!

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