Leittext

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Was ist dran an den Aufklebern „Bier ist vegan → die Arbeiterklasse trinkt Bier → die Arbeiterklasse ist vegan“ ?

Ein langer aber guter Text,…

… warum weniger Fleisch essen mehr Freizeit für alle bedeutet!

Ja,  die Aufkleberreihe soll provozieren und ja: Die Behauptung „die   Arbeiterklasse ist vegan“ ist falsch. Wir wollen in folgendem Text   zeigen, wie sich nicht nur die Fleischproduktion negativ auf die   Freizeit aller Menschen auswirkt.

Staaten gehen mit Arbeitslosigkeit falsch um

In   unregelmäßigen Abständen verkündet die ein oder andere große Firma,   dass sie Arbeitsplätze abbaut. Und immer, wenn damit Menschen  arbeitslos  werden, wird darüber diskutiert, was die Politik tut und wie  man  Arbeitsplätze retten kann. Verständlich. Mit dem Verlust der   Erwerbsarbeit wird Leuten so ein beträchtlicher Teil ihres Lebens   genommen. Vielleicht sogar ein Arbeitsplatz, den sie gerne hatten. Aber   was das Schlimmste  ist: Hartz IV droht, wenn man nicht schnell genug  eine andere Stelle  findet, womöglich sogar weil man zu alt ist. Das  heißt dann auch, dass  neben finanziellen Einschnitten auch die  Jobcenter anfangen zu nerven. Unter Androhung von Leistungskürzung  sollen Menschen gezwungen werden, jeden möglichen noch so beschissenen  Job anzunehmen. Etwas, was der freien Berufswahl widerspricht und  obendrein eine Form der Zwangsarbeit darstellt, welches für uns niemals  Platz in einer demokratischen Gesellschaft haben darf.

Maschinen sollen Menschen ersetzen

Schauen   wir mal aus einem anderen Blickwinkel darauf: Arbeitslosigkeit  entsteht  nicht dadurch, dass 5 Millionen Menschen in der BRD einfach zu  faul für  die Arbeitswelt sind und deswegen kein besseres Leben  verdient hätten.  Arbeitslosigkeit entsteht unter anderem dadurch, dass  Firmenvorstände  bestrebt sind, mehr Profit zu machen. Dieser Profit  komm meist bei ihnen und bei Aktionär_innen an – kaum aber bei denen,  die dieses Geld erarbeiten. Wie das?

Neue   technische Entwicklungen ermöglichen es Firmen, menschliche   Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Eine Maschine in  regelmäßigen  Abständen zu reparieren, ist meist viel billiger als zehn,  hundert oder  tausend Arbeiter_innen mit derselben Aufgabe zu betrauen.  Manch eine  Maschine kann sogar ohne Pause durcharbeiten – Praktisch  für  Firmenvorstände, die bei menschlichen Angestellten auf  Pausenzeiten,  Urlaubszeiten, Sozialversicherungen etc. Rücksicht nehmen  müssten.  Allerdings gibt es auch stellenweise Ausnahmen, in denen  Maschinen  gebaut werden, die anschließend mehr (und anders, meist   höherqualifiziertes) Personal für die Wartung benötigen. Damit  verfehlen  sie die Zielsetzung „weniger Arbeitsplätze“.

Ein  konkretes und aktuelles Beispiel für „Menschen ersetzen Maschinen“ ist  eine Entwicklung in den USA und Kanada, aber ganz langsam auch in  Deutschland: Der Beruf Kassierer/in stirbt ganz langsam aus, weil Leute  jetzt ihre gekauften Waren selbst an automatisierten Kassen einscannen  müssen.(1) Der Effekt: Menschen werden so auf die Straße gesetzt und  müssen  sich einen neuen Beruf suchen, um sich oder evtl. ihre Familie  zu  ernähren. Arbeitslose werden in den meisten kapitalistischen  Staaten  nämlich gegängelt.

Uns  wird von früh bis spät eingebläut, dass Menschen nur dann etwas Wert  sind, wenn sie unbedingt arbeiten gehen – egal ob der Job überhaupt Sinn  macht. Wenn jemand in einem Rüstungsbetrieb Waffen zusammenschraubt,  heißt es in dieser Gesellschaft, mehr Wert zu sein als jemand  Arbeitsloses. Aber ist es nicht schlimmer, mit todbringenden Dingen Geld  zu verdienen, als arbeitslos zu sein – vielleicht ist man ja gerade  deswegen arbeitslos, weil man ethische Probleme damit hat, Waffen zu  bauen?

Die Sache anders sehen: Weniger Arbeitsplätze bedeuten mehr Freizeit

Aus   linker Sicht sieht die Sache anders aus: Wenn Maschinen Menschen nach   und nach ersetzen, könnte man sagen: „Das ist doch geil – die Menschen   haben mehr Freizeit.“

Unsere   Logik ist: Wenn sinnvolle Aufgaben durch Maschinen gemacht werden,   hieße das mehr Freizeit für alle. Warum eigentlich Leute, die  arbeitslos  werden, sanktionieren? Warum nachtreten, weil sie nicht das  „Glück“ haben, in einem Beruf zu arbeiten, der bisher nur durch Menschen  gemacht werden kann.

Es ist an uns selbst, mehr Freizeit einzufordern!

Wenn   weniger von Menschen gearbeitet wird, so muss die arbeitende Masse   einen kürzeren Arbeitstag fordern – natürlich sollten gleichzeitig die   Löhne gleichbleiben oder gar steigen. Zusammengefast heißt die  Forderung: Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.

Das  sollte man schon deswegen fordern, weil mit eintretender  Maschinisierung immer noch dasselbe oder gar mehr Ware produziert wird  wie vorher. Man kann also mehr Menschen damit versorgen, obwohl weniger  Menschen arbeiten.

Dadurch   hätten Menschen dann auch insgesamt mehr Freizeit. Mehr Freizeit   bedeutet nicht, dass Menschen faul sind. Mehr Freizeit bedeutet, dass   Menschen mehr Zeit für ihre Hobbies, für Freunde, Angehörige, Eltern,   Kinder oder Liebe machen haben. Es bedeutet auch, dass Menschen Zeit   haben, sich stärker mit Politik auseinanderzusetzen, was die   Gesellschaft insgesamt demokratischer machen würde, da mehr und besser   durchdachte Meinungen einfließen könnten.

Und   um auf den Titel des Textes zurückzukommen: Mehr Freizeit heißt mehr   Zeit für Genussmittel – wie z.B. Bier. Und eben auch mehr Zeit zum   Ausnüchtern.

Kapitalismus ist leider anders

Der  große Fehler der aktuellen, kapitalistischen Wahrnehmung von Arbeit ist  schlicht die Annahme, dass „mehr Arbeit“ für Menschen automatisch gut  sein soll. Jedoch gibt es nicht zu wenig Arbeit. Arbeit ist schließlich  nicht nur Erwerbsarbeit  – was ziemlich kurzsichtig ist. Arbeit heißt  auch Kinder zu erziehen,  heißt auch Pflegen von Pflegebedürftigen.  Projektarbeit oder politische  Arbeit sind auch Formen von Arbeit – sie  haben in der Gesellschaft leider nur einen anderen, meist geringeren  Stellenwert als das „Geldverdienen“.

Wir   möchten Menschen dazu auffordern, sich darum zu kümmern, dass sie mehr   Freizeit haben – also mehr Zeit zur Selbstentfaltung. Zum Thema   Erwerbsarbeit meinen wir: Wir arbeiten um zu leben und nicht, wir  leben,  um zu arbeiten. Also: Arbeiten wir daran, weniger arbeiten zu  müssen.

(Einschub: Was ist Veganismus?

Für   die wenigen, die Veganismus noch nicht kennen: Veganer_innen sind   Menschen, die sich rein pflanzlich ernähren (also ohne Fleisch, Fisch,   Milch, Käse, Ei etc.). Die meisten Veganer_innen lehnen auch den Kauf   von Fell und Leder ab, da Tiere dafür getötet werden müssen oder es von   Tieren stammt, die gegessen werden. Vorurteile gegen Veganer_innen  sind  vielfältig: Mangelerscheinungen und Untergewicht sind die  häufigsten.  Allerdings gibt es Studien, die zu dem Ergebnis kommen,  dass eine vegane  Ernährungsweise in jedem Alter problemlos möglich ist –  sofern man  einen Ernährungsplan aufstellt, was die meisten  Veganer_innen schon  wegen der Ernährungsumstellung tun. Wieviele  „Normale“ tun dies schon  und wissen daher erst gar nicht von ihren  Mangelerscheinungen oder gar  Erkrankungen? )

Weniger Fleischkonsum: weniger Umweltverschmutzung durch weniger Tierprodukte

Ungeachtet  des Tierschutzes, der für Veganismus spricht,  ist es unbestritten,  dass die Fleischindustrie massiv zur weltweiten  Umweltverschmutzung  beiträgt. Mehr noch als Autofahren. Böse gesprochen  (auch wenn das  nicht zwangsläufig unsere Gruppenmeinung ist): „Wenn du  den Planeten  retten willst, setz bei deinem Fleischkonsum an – scheiß  auf’s Thema  Autofahren!“

Ein  einzelnes Rind furzt am Tag um die 300 Liter (!) Methan –  ungelogen!(2)  Die Fäkalien sind ein ernsthaftes Problem. Zum Teil  werden sie ins Meer  geleitet. In der Bretagne (Nordwestfrankreich)  führte das im Jahr  beispielsweise 2011 dazu, dass Ströme von unangenehm  riechenden Algen zurück an den Strand kamen.(3)

Für  ein einzelnes Kilo Fleisch braucht man zwischen 5.000 und 20.000 Liter  Wasser in der Produktion – Ein Drittel der weltweiten, knapper werdenden  Ackerbaufläche für Futterpflanzen (was also genauso gut Nahrung für  Menschen sein könnte) wird ebenfalls für die Fleischproduktion  benötigt.(4) D.h.: Durch sehr viel Arbeit wird die Umwelt ziemlich hart  strapaziert.

Weniger Tierprodukte bedeuten weniger Arbeit/mehr Freizeit

Da  es einerseits für die Meisten theoretisch möglich ist den Fleischkonsum  auf ein Minimum bis ganz zu reduzieren,  andererseits die  Fleischproduktion Unmengen von Agrarfläche und  Arbeitszeit beansprucht,  ist es doch eigentlich überlegenswert, diesen Schritt zu gehen und  damit die Fleischnachfrage zu senken. Sinkt die Nachfrage, muss  automatisch weniger Nahrung produziert werden, womit man  sogar mehr  Menschen ernähren kann als zuvor. Denn auch  westlich-industrieller  Fleischkonsum trägt entscheidend zum Welthunger  mit bei. Nicht, dass  wir gegen Wohlstandsgesellschaften sind (im  Gegenteil), jedoch  beinhaltet der „Export“ von Wohlstandsgesellschaften  in andere Erdteile  häufig einen dort steigenden Fleischkonsum, da dies stillschweigend mit  Wohlstand gleichgesetzt wird. Mit verheerenden Folgen für die  Umwelt.(5)

Hinzu   kommt: Gerade in der BRD wird Fleischproduktion subventioniert und   Fleischpreise werden durch Konzerne gedrückt. So stark, dass es für die   fleischproduzierenden Bauern kaum rentabel ist, sich Schweine zu halten  –  auch nicht in der Massentierhaltung. Ein Nullsummenspiel. Die  Praktik  mit der Fleischsubvention geht aber immerhin noch so weit,  dass  afrikanische Märkte mit dem billigen Importfleisch aus Europa   überschwemmt werden. Gerade Hühnerbauern leiden in Afrika darunter und   können sich kaum eine eigene Existenz aufbauen, da sie mit den   europäischen Preisen nicht konkurrieren können.(6)

Arbeitslosigkeit durch weniger Fleischkonsum?

Wenn   weniger Arbeit durch weniger Fleischkonsum da ist, bedeutet das im   Endeffekt weniger Arbeitszeit für alle Menschen, die in der   Lebensmittelindustrie arbeiten (müssen). Sollten Menschen durch weniger   Fleischkonsum „arbeitslos“ werden, so müssen sich alle Menschen, so  auch  ihre (noch) arbeitenden Kolleg_innen für mehr Rechte für  Arbeitslose stark machen, also auch für  mehr Arbeitslosengeld. So viel  Arbeitslosengeld, dass die Existenz  ihrer ehemaligen Kolleg_innen  gesichert ist. Das würde natürlich  politisches (und hoffentlich auch  gewerkschaftliches), weltweites  Engagement gegen die bestehenden  Verhältnisse fordern.

Zugleich  liegt es an uns, inwiefern wir alles, was auf unserem Tisch landet, als  Ware begreifen wollen.(7) Bereits Albert Einstein meinte übrigens, dass  man  mindestens „vegetarische Lebensweise [brauche], wenn die  Menschheit  eine Chance haben will“ (ja, richtig – Einstein war  Vegetarier und Sozialist). (8)

Weniger Schlonz allgemein produzieren

Letztlich   liegt es an uns selbst, mitbestimmen zu wollen, was wir in Betrieben   produzieren und ob das Produzierte überhaupt Sinn macht oder nicht in   einer sinnlosen Selbstbeschäftigung endet, weil die Chefetage es so   will. Ähnlich wie Fleischproduktion verhält sich schließlich auch in   anderen Branchen, um ein Beispiel herauszugreifen: die   Rüstungsindustrie. Welche Waffe hätte die Welt denn jemals  lebenswerter,  menschlicher gemacht? Weniger Waffen hießen mehr Freizeit  oder, dass  Rüstungskonzerne etwas sinnvolles produzieren: z.B.  Krankenwagen oder  Feuerwehrautos statt Panzer. Ein Bundeswehr-Soldat  würde dann wohl das  machen, was er in der Kaserne ohnehin schon tut –  nur ohne Uniform und  Waffe: Auf Krankenwagen aufpassen statt auf  Panzer, warten bis was  passiert, Skat spielen – und (veganes) Bier  trinken!

Quellenangaben

(1) http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umbruch-im-supermarkt-einfach-selbst-abkassieren-1.1873

(2) http://klima-media.de/glossar/methangas-aus-rinderhaltung/

(3) http://www.welt.de/reise/nah/article13522125/Tote-Wildschweine-und-Algenschlamm-in-der-Bretagne.html

(4) http://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Sonstiges

(5)/ZukunftsWG_2_Ernaehrung.pdfhttp://www.vebu.de/alt/nv/dv/dv_1988_4__Die_Mythen_des_Fleischkonsums.htm

(6) http://www.taz.de/!69262/

(7) zur Diskussion: http://veganelinke.antispe.org/viewtopic.php?t=30&sid=2c6957fc6ef926af5ffebcb539d62bf6 ; Gegenteilige Meinung hierzu: http://301507.server.adminflex.de/pdf/vegan.pdf

(8) http://www.vegetarismus.ch/zitate.htm und http://www.linke-buecher.de/k-einst.htm

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