Aus gegebenem Anlass: Gegen Hass, für praktische Solidarität!

B08ighACYAAUSp5Wir sind bestürzt über die schockierende Ausbreitung des Rechtsterrorismus in Deutschland. In der ersten Jahreshälfte 2015 wurden in Deutschland 176 Straftaten gegen Asylunterkünfte verübt – das ist fast eine pro Tag. Erst kürzlich wurde in Neckargemünd eine Rauchgranate in den Hof einer Unterkunft geschleudert; bei Bränden in Unterkünften in Weissach, Heppenheim, Remchingen und Rottenburg wurden mehrere Menschen verletzt. Dass es bislang keine Todesopfer gab, grenzt an ein Wunder.

Zur Erinnerung: Vor gerade einmal zwanzig Jahren wurden bei Anschlägen in Mölln, Solingen, Hoyerswerda und Lichtenhagen insgesamt acht Menschen ermordet. Die traurige Konsequenz der damaligen Ereignisse: Mit dem Asylkompromiss von 1993 schafften Union und SPD das Grundrecht auf Asyl faktisch ab.

Heute profilieren sich zwar angesichts immer neuer Anschläge einige prominente Politiker mit Ankündigungen, „hart durchgreifen“ zu wollen gegen Rechtsradikale. Andere setzen sich beim Kuchenverteilen an Flüchtlinge in Szene und wieder andere beruhigen ihr Gewissen mit dem Lob der ja doch irgendwie vorhandenen Solidarität der Zivilgesellschaft.

Natürlich ist es erfreulich, dass überall Menschen bereit sind, Geflüchtete zu unterstützen. Das darf aber keinesfalls dazu verleiten, die Hände in den Schoß zu legen und naiv abzuwarten, dass sich der rechtsradikale Spuk einfach von selbst legt.

Vielmehr zeigt die derzeitige Situation, wie tief verwurzelt rechtsextremes Gedankengut in der deutschen Gesellschaft ist. Stammtischparolen und rechtspopulistische Stimmungsmache aus dem Lager der Union oder der AfD haben in den letzten Jahren rechtsradikales Gedankengut bis weit hinein in die bürgerliche Mitte salonfähig gemacht. Diese unheilvolle Saat trägt nun ihre Früchte.

In bester Das-Boot-Ist-Voll-Rhetorik werden nun einmal mehr „Flüchtlingsströme“ heraufbeschworen, schon werden Rufe nach begrenzter Zuwanderung und diskriminierenden Maßnahmen gegen Geflüchtete laut. Ein unrühmlicher Vorreiter ist Bundesinnenminister de Maiziére, der zuletzt dafür plädierte, weitere Staaten als sichere Herkunftsländer einzustufen und Geldleistungen für Geflüchtete durch Sachleistungen zu ersetzen. Damit erhält nicht nur sein formales Bekenntnis zum Recht auf Asyl einen faden Beigeschmack – auch beförderte er so die rechtspopulistische Hetze so genannter „besorgter Bürger“.

Setzt sich diese Entwicklung fort, sind die Konsequenzen ebenso düster wie absehbar. Da auf die Politik also gegenwärtig kaum Verlass, ist die praktische Solidarität der Zivilgesellschaft wichtiger denn je. Als Linksjugend [´solid] Baden-Württemberg möchten wir uns daher überall dort einbringen, wo sich Menschen für die Rechte anderer Menschen stark machen und gemeinsam gegen Hass uns Terror stehen. Dabei gilt unsere unbedingte Solidarität all denjenigen Menschen, die in der Hoffnung auf einen Neuanfang nach Deutschland kommen. Denn Flucht ist kein Verbrechen und kein Mensch ist illegal!




Wir trauern um unsere GenossInnen in Suruc

Am gestrigen Montag, den 20. Juli 2015, wurden bei einem Anschlag auf eine Versammlung der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) in Suruc, nahe der türkisch-syrischen Grenze, über 30 Menschen getötet. Dabei handelt es sich vornehmlich um Jugendliche, die ins benachbarte Kobanê reisen wollten, um dort als Freiwillige Hilfe zu leisten.

Wir ringen um Fassung und trauern um unsere GenossInnen, die ihr Engagement für eine friedlichere Gesellschaft mit ihrem Leben bezahlten. Unser aufrichtiges Beileid gilt nun den Angehörigen und FreundInnen der Opfer.

Zugleich verstehen wir die Tragödie als Mahnung, unseren eigenen Kampf für eine bessere Welt fortzusetzen. Wir hoffen, auf diese Weise einen kleinen Teil zu der Verwirklichung der Vision beizutragen, für die unsere GenossInnen starben, und ihr Andenken so in die Zukunft zu tragen.




Zum Göppinger Kesselprozess

„Wir dulden in Baden-Württemberg keine extremistischen Vereinigungen, die eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweisen.“ Mit diesen markigen Worten kommentierte Landesinnenminister Reinhold Gall – derselbe Reinhold Gall übrigens, der unlängst seine Bereitschaft verkündete, zugunsten der Vorratsdatenspeicherung auf „vermeintliche Freiheitsrechte“ zu verzichten – das Verbot der rechtsextremistischen Gruppierung „Autonome Nationalisten Göppingen“ im vergangenen Jahr. Nachdem der NSU über Jahre hinweg Menschen ermordete, ohne dass die baden-württembergischen Behörden etwas dagegen unternommen hätten, scheint das Innenministerium um Imagepflege bemüht.

Doch diese Bestrebungen erblassen im Licht immer neuer Skandale, die im Zuge des NSU-Untersuchungsausschusses an die Öffentlichkeit gelangen. Und auch sonst bleibt wenig Zweifel daran, dass baden-württembergische Behörden nach wie vor von tendenziöse Denk- und Handlungsmustern geprägt sind. Dies lässt sich derzeit exemplarisch am Prozess zu dem Göppinger Polizeikessel nachvollziehen, in dessen Rahmen bei einer Demonstration im Oktober 2013 über 500 Personen festgehalten wurden.

Zuvor waren Protestmärsche der NPD sowie der mittlerweile verbotenen „Autonomen Nationalisten“ genehmigt worden – obwohl die letztere Gruppierung bereits durch Gewaltverbrechen und Morddrohungen aufgefallen war. Etwa 1500 Menschen wollten daraufhin bei einer Gegenkundgebung ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Doch nach einem friedlichen Verlauf der Demonstration wurden zahlreiche DemonstrantInnen Opfer exzessiver Polizeigewalt, als sie versuchten, den Aufmarsch der „Autonomen Nationalisten“ zu verhindern. Nicht nur erlitten Menschen dabei Verletzungen durch Pfefferspray und Schlagstöcke; Augenzeugenberichten zufolge verweigerten die Beamten mindestens in einem Fall einer verletzten Demonstrantin eine unmittelbare medizinische Versorgung. Zuletzt hielt die Polizei friedlich Protestierende zum Teil über sieben Stunden fest – ohne für die entsprechende Versorgung mit Getränken und Lebensmitteln zu sorgen.

Nun hat der Kessel ein juristisches Nachspiel. Doch wer vermutet, dass der Polizeieinsatz ins Visier der Justiz geraten sei, irrt: Die Klage gegen den Kessel wurde abgewiesen. Stattdessen werden nun zahlreiche Demonstranten wegen ihres Engagements belangt. Die verhängten Geldstrafen in Höhe von bis zu 1000 Euro zeigen deutlich, dass ein klarer Protest gegen Rechtsextremismus in Baden-Württemberg offenbar immer noch als gemeingefährliche Verletzung der gängigen Normen aufgefasst wird. Am morgigen Dienstag, den 21.07., werden sich auch aktive Mitglieder der Linksjugend [´solid] Baden-Württemberg vor dem Amtsgericht Göppingen gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft verteidigen müssen. Gerade vor dem Hintergrund des NSU-Terrorismus wäre ein Schuldspruch ein klares Bekenntnis der Justiz gegen zivilgesellschaftliches Engagement und ein Armutszeugnis.

 




Oxi: Ein Bekenntnis zu Solidarität und Freiheit

In Griechenland zeichnet sich nach dem Referendum über die politischen „Reformvorschläge“ der Institutionen ein klares Nein ab: Nach vorläufigen Hochrechnungen lehnen rund 60 Prozent der Wähler und Wählerinnen eine Annahme der Vorschläge ab.

Die zähen Verhandlungen im Schuldenstreit zwischen Griechenland und den „Institutionen“ hatten am vergangenen Wochenende ein vorübergehendes Ende gefunden, als der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum über das Angebot der Europäischen Zentralbank und Kommission sowie des Weltwährungsfonds ankündigte.

Das Referendum stand damit am Ende eines langen Prozesses, in dessen Verlauf europäische Institutionen – die dereinst die Solidarität der europäischen Gemeinschaft verkörpern sollten – einen ihrer Mitgliedsstaaten in eine schier endlose Spirale ideologisch verblendeter Sparpolitik und Einbrüchen der Wirtschaft sowie des Lebensstandards seiner Bürger geführt haben.

Das Referenum war eine mutige und  konsequente Entscheidung Tsipras‘. Dass hingegen führende europäische PolitikerInnen einen regelrechten Wahlkampf betrieben, um die griechischen Bürgerinnen und Bürger von einer Entscheidung gegen ihre Regierung zu überzeugen, offenbart eine geradezu widerwärtige Doppelmoral. Denn nicht nur haben dieselben PolitikerInnen, allen voran Wolfgang Schäuble, durch ihr verbohrtes Beharren auf einer offenkundig verfehlten Wirtschaftspolitik Griechenland erst in seine derzeitige missliche Lage manövriert. Vor allem richtet sich ihre Ablehnung der griechischen Selbstbestimmung gegen alles, wofür Europa und die EU zu stehen vorgeben.

Die klare Haltung der griechischen Bürgerinnen und Bürger gibt nun Anlass zu der Hoffnung, dass die erpresserischen Spardiktate der Institutionen bald ein Ende finden. Zwar ist derzeit kaum absehbar, wie sich die Geschehnisse in den kommenden Tagen entwickeln und an Konsequenzen mit sich bringen werden. Aber klar ist: Ein Nein zum Austeritätszwang ist kein Nein zu Europa. Ganz im Gegenteil: Ein Nein zum Austeritätszwang ist ein Bekenntnis zu einem Europa, dessen Werte mehr sind als hehre Absichten und hohle Worte. Ein Bekenntnis zu einem Europa der Solidarität und Gerechtigkeit, der Demokratie und Freiheit.

Die Linksjugend [’solid] Baden-Württemberg appeliert daher an die europäischen Institutionen, Staatsoberhäupter und Regierungsvertreter, endlich Einsicht walten zu lassen und das griechische Votum zu akzeptieren. Zudem erklären wir uns solidarisch mit den Bürgerinnen und Bürgern Griechenlands, denn wir sind der Überzeugung, dass die Grenzen nach wie vor nicht zwischen Staaten, sondern zwischen oben und unten verlaufen!