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Solidaritätserklärung auf dem Bundeskongress der Linksjugend [‘solid]

Solidaritätsbild vom BundeskongressWir dokumentieren an dieser Stelle eine Solidaritätserklärung einer Genossin, welche auf dem Bundeskongress der Linksjugend [‘solid] in Nürnberg am 9.4.16 vorgetragen wurde.

Rojbas Hevalno,

Mein Gesicht kennt ihr ja schon. Aber jetzt stehe ich hier für unseren Genossen Lars Schneider.

Heute Nachmittag haben wir noch vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge demonstriert, hier haben heute Refugees und Internationals Grußworte gehalten. Die Linksjugend [‘solid] steht – wie kaum ein anderer politischer Jugendverband in Deutschland – für internationale Solidarität.

Ok. Manche Genoss*innen auf der Twitterwall stehen mehr für antinationale Solidarität, aber das gönn ich denen auch.

Lars, Mitglied im Landesverband Baden-Württemberg, wollte genau diese Solidarität praktisch werden lassen und reiste mit anderen Genossen, u.a aus Polen, nach Rojava.

Er wollte dort Aufbauarbeit leisten und sah das als seinen Beitrag für eine basisdemokratische, feministischem solidarische und kämpferische Gesellschaft.

Zumindest versuchte er es. Beim ersten Checkpoint in Südkurdistan wurde er von der Peshmerga gefangen genommen. Wem noch nicht klar war, dass die Waffenlieferungen der Bundesregierung an die Kurd*innen den Genoss*innen in Rojava nicht hilft, dem dürfte es spätestens hier klar werden.

Lars wurde dann insgesamt 12 Tage im Nordirak/ Südkurdistan in Gefängnissen festgehalten.

Heute wurde abgeschoben in die BRD.

Bei seiner Ankunft wurde er, laut Auskunft von Genoss*innen, aus dem Flugzeug gezogen und von der Bundespolizei in Gewahrsam genommen. Dort wird er seit Stunden befragt und festgehalten. Wir haben keinen Kontakt mehr.

Diese Vorgänge zeigen einmal mehr: Kurd*innen und kurdische Unterstützer*innen müssen in Deutschland entkriminalisiert werden. Das PKK-Verbot muss aufgehoben werden. Und Genoss*innen, die vor Ort helfen wollen, dürfen nicht mehr staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Deutsche Behörden leisten hier wieder einmal Schützenhilfe für Erdogans kurden- und demokratiefeindliche Politik.

Meine Gedanken sind im Moment bei meinem Genossen Lars.

Meine Solidarität aber gilt allen von staatlicher Repression betroffenen Genoss*innen, die sich hier, in der Türkei, oder anderswo für eine freiheitliche, friedliche und demokratische Gesellschaft einsetzen.

Biji berxwedan!

Es lebe der Widerstand!




[Interview Teil II] Landtagskanditatin Hilke Hochheiden: Menschen müssen politisiert werden

01_Hilke HochheidenNachdem Hilke Hochheiden im ersten Teil ihres Interviews am Montag verriet (hier lesen), dass die Kurdistan-Solidarität in Mannheim bei der baden-würrttembergischen Landtagswahl eine große Rolle spielt, geht die Landtagskandidatin im zweiten Teil noch einmal auf den IS und die Strategien der Bundesregierung ein. Die Hochschulpolitikerin erläutert zudem, was eine Landesregierung dafür tun kann, um die Situation an den Hochschulen und Universitäten für Studierende und Forscher*innen zu verbessern.

[‘solid] BaWü: Hat DIE LINKE.Mannheim auf kommunaler Ebene Erfolgsprojekte vorzuweisen?

Hilke: Ja, bei der Behindertenwerkstatt in Mannheim-Neckarau gibt es eine relativ viel befahrene Straße, die die Menschen auch überqueren müssen. Wir haben es durchgesetzt, dass es eine Verkehrsinsel gibt, damit man die Straße leichter queren kann. Das wäre ohne DIE LINKE. Mannheim nicht passiert.

[‘solid] BaWü: Jene LINKE. will im Land etwas bewirken und naturgemäß gehen [‘solid]-Mitglieder an der ein oder anderen Stelle etwas weiter als die Partei. Wo siehst du das größte Veränderungspotential in der LINKEN?

Hilke: Karl Marx sagte ein mal, dass “radikal [zu] sein ist, die Sache an der Wurzel fassen”. Ich glaube, dass DIE LINKE. in diesem Sinne viel radikaler sein könnte. Wir sind häufig dabei, uns mit den Symptomen zu beschäftigen, anstatt uns wirklich mit der Ursache auseinanderzusetzen.

Nehmen wir das ganze Thema Armut. Natürlich ist es wichtig, dass Menschen in Armut jetzt etwas mehr Geld bekommen. Doch es geht nicht mir nicht weit genug darüber zu befinden, ob es ein paar Euro mehr Hartz IV oder Mindestlohn geben soll. Das ist nicht die Lösung, da wird nur innerhalb des Systems selbst etwas verändert. Wir müssen uns einfach öfter trauen, laut auszusprechen, dass das Problem an sich das System ist und öfter zu sagen, dass der Kapitalismus scheiße ist. Das müssen wir offensiv vertreten. Dazu gehört, mehr Menschen erreichen zu wollen und sie über Bildungsarbeit mitzunehmen, um ihnen klarzumachen, woran ihre Probleme eigentlich liegen.

[‘solid] BaWü: Du möchtest also konkret, dass Bildungsarbeit für Leute geschaffen wird, die sich für den politischen Alltag nicht interessieren?

Hilke: Na ja, letztendlich muss man anfangen, die Leute in ihrem Alltag zu politisieren. Wenn man sie nicht dazu bringt, sich für Politik zu interessieren, kann man mit der Bildungsarbeit kaum ansetzen. Aber diese Bildungsarbeit muss kommen, sobald Menschen politisiert worden sind. Das macht DIE LINKE. auch teilweise.

Und diese LINKE. wird dadurch spannend, dass sie sich aus so vielen politischen Richtungen zusammensetzt, dass es auch auf zahlreichen Gebieten Leute gibt, die gute Arbeit machen. Das ist aber kaum in der öffentlichen Wahrnehmung und DIE LINKE. kommt rüber wie die SPD vor 30 Jahren.

[‘solid] BaWü: Hast du selbt konkrete Ansätze, wie du versuchst, das politische Interesse von Leuten zu steigern?

Hilke: Wenn ich auf Leute zugehe, versuche ich sie an ihrer Lebensrealität zu packen. Ich kann natürlich jede*n mit meinem Lieblingsthema Bildungspolitik vollquatschen. Aber es ist wichtig zu verstehen, ob es das Gegenüber interessiert und im Gespräch da anzusetzen, wo ihnen der Schuh drückt. Als ich vor ein paar Jahren nach Mannheim kam, war ACTA ein großes Thema.

Da konnte man sagen: “Hey Leute, kommt mal mit auf die Demo und dann reden wir mal drüber.” Das funktioniert auch bei Sachen wie TTIP oder bei der Frage, weswegen Menschen in sozialen Berufen so schlecht behandelt werden. Das hängt aber alles vom jeweiligen Lebensmittelpunkt der Menschen ab.

sticker_a7_bildung[‘solid] BaWü: Sprechen wir mal mit Blick auf deine letzte Antwort über Wissenschaftspolitik. Du bist auch beim Studierendenverband Die Linke.SDS aktiv. Was muss hochschulpolitisch anders laufen?

Hilke: Ich sage immer wieder aus tiefster Überzeugung, dass Wissenschaft Neugier braucht. Jedoch habe ich das Gefühl, dass das aktuelle Hochschulsystem keine Neugier schafft, sondern dass es darauf ausgerichtet ist, Menschen möglichst schnell durchzuschleusen was dazu führt, dass die Menschen ihr Wissen oder gewisse “Wahrheiten” nicht hinterfragen.

Damit Menschen neugierig werden und Wissen schaffen wollen, braucht es mehr Freiräume. Das fängt bei finanziellen Zwängen an. Wer nicht weiß, wie er*sie die Studienfinanzierung realisieren soll, hat nicht die Zeit, sich noch einmal zwei Jahre mehr für das Studium zu nehmen.

Auch die Anwesenheitspflichten oder der Druck, in jedem Semester fünf oder sechs Prüfungen zu schreiben, sind ein Problem. Es gibt ganz viele verschiedene einzelne Ausprägungen, die Studierende unter Druck setzen, möglichst schnell und möglichst stromlinienförmig durchzukommen, anstatt kritisch nachzuhaken.

Prekär sieht es auch bei den Arbeitsplätzen für junge Wissenschaftler*innen aus. Die machen sich teilweise mehr Sorgen darüber, was sie in zwei Monaten noch zu essen haben, statt Zeit dafür zu haben, sich mit Wissenschaft auseinanderzusetzen.

[‘solid] BaWü: Was kann das Land hochschulpolitisch konkret besser machen? Können Landespolitiker*innen auf Bologna einwirken? (Bologn war der Prozess, der zur Straffung des Studiums und zum Bachelor/Mastersystem führte; Anm. d. Red.)

Hilke: Den Bologna-Prozess an sich kann der Landtag nicht einfach abschaffen. Dennoch gibt es für den Landtag Möglichkeiten, ihn menschlicher auszugestalten. Zwei konkrete Beispiele:

In Thüringen hat die Landesregierung die körperliche Anwesenheitspflicht in Seminaren abgeschafft. Das könnte man auch in Baden-Württemberg abschaffen.

Eine andere Sache sind die Orientierungsprüfungen an baden-württembergischen Hochschulen, die relativ am Anfang eines Bachelor-Studiums abgelegt wird. Wenn Studierende die nicht bestehen, werden sie aus ihrem Studium geschmissen. Das ist für zahlreichende Studierende ein Stressmoment.

Wenn man die (häufig äußerst schwierigen) Einführungsveranstaltungen nicht besteht, war es das mit dem Studium direkt, obwohl das auf die Wissenschaft an sich gar keine Auswirkung hat. Diese Prüfung ist ein reiner Selektionsmechanismus, den man einfach per Landesgesetzgebung abschaffen könnte. Man kann Bologna also nicht abschaffen, aber innerhalb des Systems mehr Freiräume schaffen.

[‘solid] BaWü: Hilke, ein weiteres Kernthema von dir ist Friedenspolitik. Die Partei DIE LINKE. hat sich immer als Friedenspartei gegeben. Vor ein paar Jahren mobilisierte die politische Rechte auf die Friedensdemos am Montag. Das hat die Friedensbewegung bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet. Wie gehst du damit um?

Hilke: Es ist eine schwierige Frage, wie man mit den neurechten Ideolog*innen, die sich bei der Friedensbewegung tummeln, umgeht. Für mich ist es aber die falsche Antwort, sich rauszuziehen und zu sagen, dass die Friedensbewegung gescheitert ist und wir können keinen Frieden mehr machen. Dazu ist das Thema einfach zu wichtig.

Zahlreiche Menschen gehen erst einmal zu Demos, weil sie gegen Krieg sind. Den Menschen muss man klar machen, dass die Ursache für Kriege nicht irgendwelche Weltverschwörungen sind, sondern dass man das rational hinterfragen muss. Es geht eben auch um Profitinteressen von Rüstungskonzernen und Firmen, die ein Interesse an den Rohstoffen der jeweiligen Länder haben.

Wenn sie nur die neurechten Friedensdemos geboten bekommen, dann landen die Leute leider bei denen und so findet dann auch keine gegenteilige Meinungsbildung statt, die wichtig wäre. Das bedeutet auch, dass man nicht alle Menschen, die zu einer Friedensdemo gehen, als rechte Verschwörungstheoretiker*innen diffamiert, sondern sich erst einmal mit ihnen auseinandersetzt.

Aufkleber_a7_2[‘solid] BaWü: Siehst du einen Widerspruch darin, die Rojava-Bewegung zu unterstützen, die sich mit Waffen gegen den IS verteidigt und auf der anderen Seite Friedenspolitikerin zu sein?

Hilke: Die Menschen in Rojava verteidigen sich aktuell gegen die Angriffe des IS. Mit dem Assad-Regime gibt es eine Art brüchigen strategischen Frieden, da der IS der schlimmere Gegner ist. Sie haben dort die Wahl zwischen dem Griff zu den Waffen oder abgeschlachtet zu werden.

Daher ist es auch sinnvoll, sie zu unterstützen, aber nicht indem irgendwelche Peshmerga ausgebildet werden, sondern indem man den Menschen vor Ort konkret das gibt, was sie brauchen. Da geht es auch darum, dass ihnen in der Region einfache Dinge wie Medikamente fehlen. Was die Bundeswehr hingegen macht, sehe ich kritisch. Ich wage zu bezweifeln, dass noch mehr Bombenabwürfe etwas bringen.

Beim Bundeswehreinsatz handelt es sich zwar um eine Beobachtungsmission, doch sie schießt Bilder, damit andere Bomben abwerfen. Der Einsatz dient vor allem dazu, Kriegseinsätze – gerade nach den Erfahrungen in Afghanistan – wieder salonfähig zu machen.

Auch die rechtliche Legitimität ist unglaublich schwierig. Wenn ich richtig informiert bin, führt die Entscheidung der Bundesregierung dazu, dass man den IS als Staat anerkennt, da es sich für Völkerrecht für zwischenstaatliche Konflikte handelt. Diese Anerkennung will ich nicht. Außerdem denke ich, dass Bomben auf den IS der falsche Weg sind, da das letztendlich wieder Zivilist*innen trifft und sich dadurch wieder mehr Menschen radikalisieren.

Wenn man den IS tatsächlich bekämpfen will, muss man ihre Finanzströme und ihren Nachschub aus dem Westen endlich austrocknen.

Auch in Deutschland selbst braucht es eine andere Sozialpolitik. Wäre diese hier und anderswo besser ausgestaltet, würden sich vielleicht weniger verunsicherte Menschen dazu entschließen, in den Krieg nach Syrien zu ziehen.

[‘solid] BaWü: Danke für das Gespräch!




[Interview] Landtagskandiatin Hilke Hochheiden: Leider scheint die AfD profitiert zu haben

01_Hilke HochheidenDie [‘solid]-Landessprecherin und Mannheimer Landtagskanditatin Hilke Hochheiden spricht über die Aufgaben der LINKEN in Baden-Württemberg in Bezug auf die kommende Landtagswahl. Seite an Seite mit LINKE.-Spitzenkanditatin Gökay Akbulut stämmt sie den Wahlkampf in den Wahlkreisen von Mannheim. Vor allem die Situation in Kurdistan sowie die Geflüchtetenpolitik liegt beiden am Herzen. Hilke berichtet von ihrem Engagement gegen Rechts, insbesondere gegen die neofaschistische AfD. Im Interview berichtet sie auch von der Wichtigkeit diverser Inklusionsprojekte vor Ort, welche DIE LINKE. vorantreibt.

Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg: Hilke, du bist dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge in den Landessprecher*innenrat der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg gewählt worden und dort Schatzmeisterin. Ebenso bist du seit Langem in unserem Studierendenverband Die Linke.SDS aktiv und setzt dich für eine Verbesserung der Situation an den Universitäten ein. Was motiviert dich dazu, dich linkspolitisch zu engagieren?

Hilke Hochheiden: Generell habe ich den Wunsch, die Welt ein wenig zu verbessern. Es passiert viel zu häufig, dass an den einzelnen Themen einfach nur herumgedoktert wird, jedoch braucht es vielfach radikale Änderungen. Das ist meiner Meinung nach nur mit links machbar, denn es geht darum, die Welt lebenswerter zu gestalten.

[‘solid] BaWü: Meinst du, dass DIE LINKE. in Baden-Württemberg derzeit dazu in der Lage ist, etwas an den sozialen Missständen zu beheben?

Hilke: Ich sehe DIE LINKE. vor allem als Vehikel, Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, sich politisch zu engagieren. Selbst wenn DIE LINKE. mit fünf Prozent in den Landtag käme, werden es nicht die parlamentarischen Initiativen sein, die das Leben lebenswerter machen. Vor allem, da DIE LINKE. – wenn überhaupt im Parlament – dann in der Opposition sein wird.

Doch man kann Menschen eine Plattform und ein Sprachrohr geben und man kann Menschen bei ihren sozialen Kämpfen unterstützen. Das betrachte ich als die Aufgabe der LINKEN. Wenn DIE LINKE. das öfter machen würde, hätte sie auch in Baden-Württemberg mehr Gewicht.

[‘solid] BaWü: Hilke, du kandidierst in Mannheim im Nachbarwahlkreis der LINKE.-Spitzenkandidatin Gökay Akbulut. Wie gestaltet sich dadurch der Wahlkampf, gibt es da Synergieeffekte?

Hilke: Gökay kandidiert zwar im Nachbarwahlkreis, doch letzten Endes sind wir beide Mannheimer Kandidatinnen. Das spürt man schon bei der Plakatierung. Da Gökay zudem Stadträtin ist, hängt ihr Plakat natürlich auch in meinem Wahlkreis. Auch die linke türkische oder kurdische Community lebt nicht nur im Mannheimer Norden, sondern in ganz Mannheim. Daher läuft die Mobilisierung in der ganzen Stadt.

Da Gökay aber landesweit Termine hat, kann sie auf Veranstaltungen, Kundgebungen und Demos nicht immer da sein. Dann springe ich auch mal ein. Wir machen einen gemeinsamen Wahlkampf in derselben Stadt.

[‘solid] BaWü: Demzufolge sind die kriegerischen Auseinandersetzungen in Kurdistan für euch ein großes Thema …

Hilke: Absolut. Für die türkischen Linken wie die DIDF, die Aleviten und die Kurden ist es das auf alle Fälle. Das ist menschlich. Über 50 Prozent der Mannheimer*innen haben einen Migrationshintergrund. Da spürt man die Unterstützung in der Stadt schon, wenn man eine Spitzenkandidatin hat, die nicht in der fünften Generation hier ist, sondern erst aus der Türkei gekommen ist. Das ist etwas anderes als die anderen Parteien anbieten.

[‘solid] BaWü: Kann man dann als LINKE. das Geflüchtetenthema anders angehen als in anderen Teilen Baden-Württembergs?

Hilke: Auf jeden Fall, da unsere Spitzenkandidatin selbst eine Geflüchtetenbiografie hat. Das macht linke Positionen zum Thema deutlich authentischer, da wir jemanden haben, die aus Erfahrungen spricht und wir verstecken das nicht. Zudem haben wir in Mannheim eine sehr lebhafte Szene, bei der Leute auch sagen: “Hey, jetzt will ich da was tun und helfen.” Diese Menschen können wir ein Stück weit mitnehmen.

[‘solid] BaWü: Inwiefern ist der Ortsverband der [‘solid] dort involviert? Arbeitet ihr da an Flüchtlingsprojekten?

Hilke: Wir befassen uns seit längerem sehr stark mit der Osttürkei, Syrien und Rojava, da es dort ja wieder den Bürgerkrieg gibt. Daher sind auch einige Kurd*innen bei uns aktiv. Mehrere einzelne Akteure sind bei uns in verschiedenen Geflüchtetenverbänden aktiv. Es gibt zum Beispiel “Nice to meet you”, “Mannheim sagt ja”, wo wir uns engagieren. Weniger als ganze Gruppe, aber umso mehr als Individuen.

[‘solid] BaWü: Bedeutet das dann auch ein stärkeres Engagement gegen Rechts?

sticker_a7_nazisHilke: Das ist ein riesiges Thema. Als die AfD auf die Idee kam, Frauke Petry nach Mannheim einzuladen, waren wir auf der Gegenkundgebung in der ersten Reihe. Und wenn im Umland von Mannheim die NPD-Nazis unterwegs sind, wissen wir leider auch, wie unsere Wochenendgestaltung aussieht.

[‘solid] BaWü: Du hast Petry erwähnt, die im Mannheimer Morgen gerade ihr “grandioses Interview” gegeben hat, in dem sie den Schusswaffeneinsatz gegen Geflüchtete fordert. Ist diese gefährliche Forderung eine Chance für die AfD oder hat sie sich damit endgültig ins Abseits gestellt?

Hilke: So sehr ich mir wünsche, dass sie die AfD damit ins Abseits gestellt hätte, fürchte ich jedoch, dass es Leute gibt, die so menschenverachtend drauf sind und sie die AfD gerade wegen solcher Äußerungen wählen. Petry hat es geschafft, dass ganz Deutschland davon redet. PR-technisch war das leider gar nicht so dumm. Dabei müssen die Menschen endlich raffen, wie die AfD tickt und genau deswegen beschließen, sie doch nicht zu wählen.

[‘solid] BaWü: Was würdest du Leuten mit auf den Weg geben, die die AfD wählen wollen?

Hilke: Ich würde ihnen klarmachen, dass die Geflüchteten nicht die Ursachen der sozialen Probleme sind. Die Probleme, die AfD-Wähler*innen vermeintlich gelöst haben wollen, haben andere Ursachen. Deutschland hat 80 Millionen Einwohner*innen, dann ist jetzt eben eine Million dazu gekommen. Selbst wenn es zwei oder drei Millionen Menschen sind, können wir sie integrieren, wenn wir es nur wollen.

Man darf aber nicht einfach wieder irgendwelche Ghettos bilden und beschließen, dass man kein Geld – etwa für Sprachkurse – hat. Auch sind die Geflüchteten nicht der Grund dafür, dass man keine Wohnungen findet, sondern wir hatten den Wohnungsmangel schon davor. Es sind die herrschenden Politiker*innen, die nicht bereit sind, entsprechende Steuererhöhungen für Reiche vorzunehmen, damit man von dem Geld sozialen Wohnungsbau vorantreiben kann. Dieses Problem gibt es doch nicht erst seit einem Jahr. Das gibt es bereits seit fünf oder sechs Jahren.

[‘solid] BaWü: Engagiert ihr euch als [‘solid] Mannheim noch auf anderen sozialen Gebieten?

Hilke: Ganz unterschiedlich. Momentan unterstütze ich ein paar Jugendliche dabei, einen Jugendtreff zu errichten und schaue, ob man dort noch Gelder von der Stadt bekommen kann.

[‘solid] BaWü: Gibt es auch Inklusionsprojekte, die sich konkret für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen?

barrierefrei_stickerHilke: Um Weihnachten herum gab es eine Aktion in Mannheim, bei der ich leider nicht dabei sein könnte. Im Mannheimer Norden gibt es einen Schulweg, der ein dunkler Feldweg ist. Für Menschen mit Behinderung ist dieser Weg in einem untragbaren Zustand. An der Aktion haben wir uns stark dran beteiligt. Auch manche Straßenbahnhaltestellen in der Stadt gehen aus Sicht der Barrierefreiheit auf keine Kuhhaut.

[‘solid] BaWü: Was muss in diesen und in anderen Fragen im Landtag passieren? Kann man (als LINKE.) mit seinen Anliegen an Grün-Rot herantreten? Sind davon Verbesserungen zu erwarten?

Hilke: Man kann mit ihnen sicherlich reden. Ob Wählen alleine etwas bringt, wage ich zu bezweifeln. Man kann aber vor allem Druck machen, sich mit Betroffenen und Betroffenenverbänden solidarisch erklären und man kann versuchen, auf die Missstände aufmerksam zu machen. Da geht es um ganz konkrete Punkte, das heißt, dass alle Haltestellen im öffentlichen Nahverkehr barrierefrei gestaltet werden müssen. Dafür wird aber nicht genug Geld zur Verfügung gestellt. Das wäre ein ganz konkretes Problem, an das man mit viel Öffentlichkeitsarbeit herangehen muss, um hier dafür zu sorgen, dass entsprechende Gelder dafür bereitgestellt werden.

Teil II von Hilkes Interview veröffentlichen wir am Dienstag. Darin spricht sie darüber, weswegen das Bundeswehr-Mandat der Bundesregierung ihrer Meinung nach nicht dazu beitragen wird, den IS zu bekämpfen und dass sie es für einen Fehler der politischen Linken hält, rechten Verschwörungstheoretiker*innen die Friedensbewegung zu überlassen …




Keine Intervention von Außen!

Seit drei Jahren morden, brandschatzen und vergewaltigen in Syrien nun schon Truppen wie der Islamische Staat (IS), die Al-Nusra Front und weitere Terrormilizen. Aufgebaut und finanziert wurden diese von westlichen Geheimdiensten, den Golfmonarchien und allem voran der Türkei, um Assad zu stürzen.
thumb-1_06In den Wirren dieses Konfliktes haben die Menschen in Nordsyrien, welche vor allem kurdischer Herkunft sind, den Rückzug des Assad-Regimes genutzt, um eine demokratische Selbstverwaltung aufzubauen. Dieses Projekt, welches von Abdullah Öcalan als alternative zu einem kurdischen Staat vorgeschlagen wurde und den Namen demokratischer Konföderalismus trägt, garantiert nicht nur den Kurd*innen Freiheit und Mitbestimmung, sondern auch allen anderen Minderheiten und Gruppen in der Region. Leider hat es vor allem der Islamische Staat auf die Region namens Rojava abgesehen. Seit Wochen nun schon wird die Stadt Kobane von den Klerikal-Faschisten belagert und seit ein paar Tagen droht ein erneuter Genozid an den Eziden im irakischen Shengal.
Es dauerte ewig, bis die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Deutschland verboten wurde. Es ist ein Skandal, dass die PKK in Deutschland und Europa immer noch als verbotene Organisation geführt wird, obwohl sie einer der wenigen Kräfte in diesem Konflikt ist, die die Menschen vor Ort tatsächlich vor weiterem Terror schützt. Die deutsche Regierung hat sich bisher immer noch nicht zu dem brutalen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen die kurdische Bevölkerung geäußert.
Auch wurde die türkische Regierung bisher nicht dafür belangt, dass sie Truppen des IS ungehindert über die Grenze lies, Terroristen in türkischen Krankenhäuser versorgt wurden und sie über die Kantone Rojavas Blockaden verhängt hat. Aber es ist kein Wunder, dass die Regierung der BRD sich dazu nicht äußert, da sie ja auch selbst Faschisten in der Ukraine unterstützt.52662751
Die jetzt geführten Luftschläge der Anti-IS Koalition um Kobane und Shengal waren wichtig, um den Selbstverteidigungseinheiten zu helfen, die Oberhand über die Gebiete zurück zu erlangen. Die YPG und YPJ verfügen nämlich kaum über panzerbrechenden Waffen, um gegen die aus US-Arsenal erbeuteten Panzer des IS anzukommen.
Nun aber eine NATO oder UN-Intervention mit Bodentruppen zu fordern kann weitreichende und negative Konsequenzen für die Selbstverwaltungsstrukturen in Rojava haben.
Zum einen könnte die UN-Schutzzone von der Türkei oder anderen Staaten dazu genutzt werden, die Selbstverwaltungsstrukturen zu zerschlagen. Zum anderen wurde auch schon im Irak die UN-Schutzzone dazu genutzt, um Saddam Hussein zu stürzen. Nun ist auch Assad ein Diktator, der unsere Unterstützung nicht verdient, aber es ist zu befürchten, dass bei einem „Regime Change“ von außen ein zweites Libyen oder Irak entsteht.
Paradox wird es nun, wenn die sogenannten Freunde Syriens dazu übergehen wollen, die „moderate Opposition“ im syrischen Konflikt zu unterstützen. Damit sind aber nicht die Truppen Rojavas gemeint, sondern Truppen wie z.B. die FSA oder die Al-Nusra Front. Teile der FSA haben zwar nun ein Bündnis mit der YPG/YPJ gegen den IS geschlossen, dennoch sollte man nicht vergessen, dass Teile dieser Gruppe Anfangs Gebiete in Rojava angriffen. Dies geschah, da die dortige Bewegung sich nicht dem bewaffneten Kampf gegen Assad anschließen wollte. Würde es die FSA aber wirklich ernst meinen mit der Hilfe für Kobane, so müssten sie eine zweite Front gegen den IS eröffnen, damit dieser gezwungen wird, Kräfte aus der Stadt abzuziehen. Auch ist die Organisation untereinander zerstritten, was Waffenlieferungen zusätzlich höchst fragwürdig erscheinen lässt. Ebenso wenig tragbar ist Erdogans Forderung, die Al-Nusra Front aufzurüsten, da sich ja auch viele Anhänger aus dieser Organisation dem Islamischen Staat angeschlossen haben. People sit in the back of a truck as they celebrate what they said was the liberation of villages from Islamist rebels near the city of Ras al-Ain
Ein stabiles Syrien liegt aber auch gar nicht in seinem Interesse. Je stärker Rojava unter Beschuss steht, desto mehr ist die PKK in die dortigen Kämpfen verwickelt und wird somit geschwächt. Sollte Rojava gar fallen oder der IS weitere Teile der Grenze zur Türkei erobern, könnte Erdogan seinen Plan einer Pufferzone verwirklichen und somit seine „Anti-Terror-Operation“ gegen die Kurd*innen ausweiten. Die Frage ist nun, ob die Selbstverteidigungskräfte sich erfolgreich gegen die Terroristen des IS zur Wehr setzen können, von ihnen überrannt werden oder ausländische Staaten sich weiter in den Konflikt mit ihren Interessen einmischen. Und damit Rojava noch weiter existieren kann und die Truppen der YPG und YPJ das dortige Projekt erfolgreich verteidigen können, müssen wir hier alles in unserer Macht stehende tun, um sie zu unterstützen. Sei es durch Aufklärung, Solidaritätsdemonstrationen, Spendenkampagnen oder sonstige Dinge. Denn der Kampf um Rojava hat gerade erst begonnen. Und es ist auch unser Kampf für eine befreite und solidarische Gesellschaft!