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Oury Jalloh – 15 Jahre gewolltes Ignorieren von Polizeigewalt

Vor wenigen Tagen wurde von der „Initiative in Gedenken an Oury
Jalloh“ ein neues Gutachten veröffentlicht, dass den Tod des in
Dessau verbrannten Asylbewerber genauer untersucht hat. Dieses wirft
neue Fragen auf und zeigt erneut die Notwendigkeit eines
Untersuchungsausschuss für den Fall Oury Jalloh.

Der Tod Jallohs jährt sich nun schon fast 15 mal.
Am 7. Januar 2005 wurde seine verbrannte Leiche in der Dessauer
Polizeizelle, in der er eingesperrt war gefunden. Dort war er an eine
Matratze gefesselt worden auf der er auch verbrannte.

Der Fall war bereits vor dem Gutachten mit vielen
ungeklärten Fragen behaftet. So wurde nicht nur ein Nasenbeinbruch
Jallohs festgestellt, den er sich nach Polizeiangaben zugezogen haben
soll, als er mit seinem Kopf auf einen Tisch schlug, es soll in der
Zelle auch ein Feuerzeug gefunden worden sein, mit dem Jalloh sich,
nach Vermutungen der Polizei, angezündet haben soll. Dieses
Feueruzeug wurde jedoch nicht bei der initialen Untersuchung Jallohs
gefunden und taucht auch nicht auf der ersten Asservatenliste, die
nach dem Brand angefertigt wurde auf. Erst auf späteren Listen wird
das Feuerzeug erwähnt. Abgesehen von der ungeklärten Herkunft des
Feuerzeuges wurde auch die Unmöglichkeit einen Brand wie diesen ohne
mehrere Liter Brandbeschleuniger zu entfachen von einem
Brandgutachten in 2013 bewiesen.

Selbst wenn Jalloh sich selbst angezündet hätte,
was schon allein durch die vor dem neuen Gutachten bekannten Umstände
sehr unwahrscheinlich war, hätte er gerettet werden können, hätte
der Polizist, der für die Überwachung seiner Zelle verantwortlich
war nicht den Feueralarm zweimal ignoriert und die Audioübertragung
aus der Zelle abgeschaltet.

Mit den Erkenntnissen aus dem neuen Gutachten wird
aber das grausame Bild, das sich aus all diesen kleinen Details
zusammen setzt noch einmal schärfer gezeichnet. So erlitt Oury
Jalloh vor dem Brand in seiner Zelle nicht nur einen Nasenbeinburch,
sondern auch eine Schädelfraktur und Rippe war gebrochen.

All das deutet auf eines hin: Oury Jalloh, das war
Mord!

Doch trotz solcher eigentlich offensichtlichen
Hinweise auf Polizeigewalt ist bis heute nichts passiert, außer,
dass der damalige Diensgruppenleiter für fahrlässige Tötung zu
einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Wir sehen Polizist*Innen morden und stehen
sprachlos da, wenn diese mit Geldstrafen davonkommen und Gerichte
aktiv versuchen die Aufklärung eines Falles von tödlicher
Polizeigewalt zu unterbinden.

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Quellen:

https://www.spiegel.de/thema/ouri_jallow/




Kennzeichnungspflicht? Fehlanzeige!

Vor kaum fünf Jahren führten die Grünen in Baden-Württemberg einen Wahlkampf gegen den CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Insbesondere dessen Anweisung, die Demonstrationen gegen Stuttgart 21 mit massiver Polizeigewalt aufzulösen, regte die Empörung der ehemaligen Bürgerrechtspartei.

Dass von dieser Haltung heute nichts mehr übrig ist, offenbarte sich gerade einmal mehr in der Abkehr von der allgemeinen Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen. Noch zu Oppositionszeiten hatten die Grünen diese als sinnvolles Mittel gepriesen, Gewalt gegen Demonstranten besser verfolgen und verhindern zu können. Seither jedoch stellen Grüne gemeinsam mit der SPD die Landesregierung und von dem ehemaligen Einsatz für Demonstrant*innen ist nichts geblieben. Erst vor einer Woche wurden die Demonstrationen gegen den Bundesparteitag der NPD in Weinheim von massiver Polizeigewalt überschattet, die Staatsmacht prügelte Neonazis den Weg frei. Doch anstelle einer klaren Positionierung gegenüber Rechtsradikalismus verabschiedete sich die Landesregierung stattdessen von der Kennzeichnungspflicht.

Diese passe laut SPD-Innenpolitiker Nikolaos Sakellariou „nicht mehr in die Zeit“. Die prügelnden Beamt*innen bräuchten „kein Misstrauen, sondern unsere volle Unterstützung“. Die stattdessen vorgeschlagene Benennung eines „Bürger[*innen]- und Polizeibeauftragten“ – letztlich also einer Beschwerdehotline ohne nennenswerte Befugnisse – ist ein schlechter Scherz.

Dies macht die Prioritäten der grün-roten Landesregierung nur allzu deutlich und zeigt einmal mehr, welchen Rechtsruck die Grünen in den letzten Jahren erlebt haben. Von Ministerpräsident Kretschmanns wiederholter Zustimmung zur Verschärfung des Asylrechts über seine Unterstützung der Kontingente für Geflüchtete und militärischer Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hin zur Aufgabe der Kennzeichnungspflicht – wer die Grünen nach wie vor für eine pazifistische, liberale Bürgerrechtspartei hält, irrt gewaltig.

Mit der Aufgabe aller ehemaligen grünen Ideale macht sich Kretschmann zunehmend überflüssig: Auch ohne seine Politik hat Baden-Württemberg bereits genug Faschist*innen!