Berlinfahrt der Abgeordneten Karin Binder

berlinVom 09.03 bis zum 12.03 haben vier von uns aus den Basisgruppen Freiburg und Emmendingen auf einer Bildungsfahrt der Bundestagsabgeordneten Karin Binder (DIE LINKE) nach Berlin teilgenommen. Solche Fahrten werden von jedem Abgeordneten des Bundestages angeboten. Insgesamt werden dadurch pro Jahr ungefähr 150 000 Besucher nach Berlin gebracht, was das Bundespresseamt 25 Millionen Euro kostet. Für jeden Bundesbürger stellt dies eine gute Möglichkeit dar, einmal billig nach Berlin zu kommen und den Sitz der Regierung kennenzulernen. Im folgenden ein Abriss über unser Programm dort und was wir in Berlin gelernt und efahren haben.

 

Erster Tag:

Da die Anreise mit dem Zug durch die ganze BRD (Freiburg bis Berlin) wenig ereignisreich war, beginnen wir unsere Erzählung mit dem ersten Tag den wir ganz in Berlin verbrachten.

Besuch des Reichstags

P1040844Teil des Pflichtprogramms war am ersten Tag der Besuch des Reichtages. Als Sitz des Bundestages ist der Reichstag der Ort mit dem man deutsche Bundespolitik am ehesten assoziert. Der Besuch lief nach dem klassischen Besucherprogram ab: Erst durch die Sicherheitskontrolle, auf eines der Besucheremporen über dem Plenarsaal wo es ein Vortrag zur Arbeit des Bundestages und der Geschichte des Gebäudes gab. Anschließend ein Besuch der Kuppel inklusive eines Pressefoto.

Interessant ist, das schon bei der Sicherheitskontrolle einer von uns gebeten wurde ein Aufnäher mit der Aufschrift “Alerta, Alerta, Antifascista” doch bitte abzudecken, da sich Presse im Gebäude aufhält und man gerne politische Neutralität wahren wolle. Das ein Bekenntnis zum Antifaschismus im Bundestag als kritisch gesehen wird ist erschreckend. Wo politische Meinungen zwischen den gewählten Abgeordneten ausgetauscht werden, ist die politische Meinung der Besucher nicht erwünscht. Der daraufhin gehaltene Vortrag war zwar recht informativ, der Referent zeigte jedoch wenig Begeisterung für den Inhalt. Zwischen den Zeilen konnte der Zuhörer jedoch gut heraushören, dass die eigentliche Arbeit nicht im Reichstag stattfindet, sondern in den Ausschüssen, wo die Lobbygruppen unbeobachtet von der Öffentlichkeit ihren Einfluss ausüben können. Die Abstimmungen des Bundestags sind der letzte Schritt eines hinter geschlossenen Türen ausgehandelten Ergebnis. Die Kuppel bieten eine schöne Aussicht über Berlin, die etwas für den Frust über den Staatsapparat entschädigte.

Dem Besuch folgte ein kurzes Verweilen am geschichtsträchtigen Brandenburger Tor bevor es weiter ging zur neuen Synagoge.

Führung im Centrum Judaicum

Das Centrum Judaicum, ehemals die “neue Synagoge”, ist heute ein Museum in dem Gebäude welches einst die größte Synagoge Berlins war. Was uns sofort auffiel war der starke Polizeischutz und die extensiven Sicherheitsmaßnahmen mit denen das Gebäude geschützt wird. Wiedereinmal wurde uns vor Augen geführt, wie notwendig es ist, dass jüdische Einrichtungen weiterhin vor rechten Kräften geschützt werden müssen.

Das Gebäude selbst beherbergt eine Ausstellung zum jüdischen Glauben und der Geschichte des Gebäudes. Die Synagoge wurde vor einem Brand in der sogenannten Reichskristallnacht gerettet. Während des zweiten Weltkriegs, wurde der Keller des Gebäudes von den Nazis als Archiv genutzt und deshalb beschützt. Nach Ende des Krieges stand nur noch der Eingangsbereich der Synagoge, in dem Heute das Centrum Judaicum untergebracht ist.

Rundfahrt durch Berlin

modellDem Besuch der Synagoge folgte eine Rundfahrt im Reisebus durch Berlin (neben dem Bundestag der einzige Teil vom Pflichtprogramm). In einem rollenden Glaskasten durften wir also die vielen Sehenswürdigkeiten von Berlin kurz von aussen Bestaunen und uns, sofern nicht schon bekannt, einen Überblick über gesamt Berlin (zumindest dem touristischen Teil) aneignen. Interessant war dabei besonders der Halt beim Planungsamt Berlins, in dem Modelle der Stadtplanung ausgestellt sind. Ein altes Model aus der DDR zeigt wie Ostberlin hätte aussehen sollen, und ein aktuelles Model zeigt dort die Planungen für die Stadtentwicklung die gerade in unzähligen Baustellen in der gesamten Stadt umgesetzt werden.

Gespräch mit Karin Binder

Der erste Tag endete dann in einem Gespräch mit Karin Binder, die uns auf die Fahrt eingeladen hatte, bevor einige von uns noch Berlins nachtleben erkundeten.

 

Zweiter Tag

Besuch der Parteizentrale der LINKEN

Erste Anlaufstelle der noch etwas müden Reisegruppe war das Karl Liebknecht Haus, die Parteizentrale der Partei DIE LINKE. In diesem historisch bedeutsamen Haus durften wir uns einen informativen Kurzfilm zur Geschichte des Hauses anschauen und einem kurzen Vortrag über die Partei und ihre Arbeit lauschen.

Der Kurzfilm zeigt gut die verschiedene Nutzung des Hauses: als ehemalige Fabrik, die zur Zentrale der KPD in der Weimarer Republik wurde, um im dritten Reich, nach dem Verbot der KPD, als “Horst Wessel Haus” von der NSDAP für ihre Terrorherrschaft genutzt zu werden. Nach der Befreiung wurde das Gebäude in der DDR von der SED wieder genutzt, jedoch war die Parteizentrale in einem größeren Gebäude untergebracht. Nach dem Mauerfall und die Eingliederung der DDR in die BRD ging das Gebäude in den Besitz der PDS über, und damit später an DIE LINKE. Diese nutzt das Gebäude heute als Bundesgeschäftstelle.

Der folgende Vortrag umriss die Geschichte der Partei, von Gründung der PDS, über die Wahlvereinigung mit der WASG bis zur Gründung der Partei DIE LINKE. Dem folgte ein kurzer Abriss über die Grundlagen dessen, wofür die Partei steht und was in ihrem Programm steht. Für einige der Mitreisenden bestimmt spannend, als schon länger aktive Mitglieder des Jugendverbandes jedoch alles nichts neues.

Redaktionsbesuch der Tageszeitung “Junge Welt”

Direkt eine Strasse weiter besuchten wir dann die Redaktion der Tageszeitung “Junge Welt”. Diese ist eine linke Tageszeitung welche in der DDR die Zeitung der Freien Deutschen Jugend war.
Besonders schön: Die Redaktion hat ein Balkon mit Blick auf das Karl Liebknecht Haus und den Rosa Luxemburg Platz.

Führung durch das KZ Sachsenhausen

P1040929Nachmittags ging es nach Oranienburg, zur Gedächtnisstätte des Konzentrationlagers Sachsenhausen. Die Besichtigung began mit einem Vortrag über die Geschichte des Ortes und ging dann weiter mit einer Führung durch das ehemalige KZ.

Der Vortrag zeigte anhand von Karten wo das erste Lager (KZ Oranienburg) 1933 errichtet wurde, welches als Häftlingslager benutzt wurde, sowie das 1938 errichtete KZ Sachsenhausen, welches nach 1945 noch als Speziallager der UdSSR genutzt wurde. Das 1938 entstandene KZ Sachsenhausen war das Ausbildungszentrum für die SS-Männer welche dann in anderen Lagern eingesetzt wurden. Deswegen war dort auch die “Inspektion” untergebracht, welche die Leitlinien für alle Konzentrationslager auslegte. Ursprünglich für 10 000 Häftlinge gedacht, wurde das Lager sehr schnell ausgebaut um viel mehr Gefangene unterzubringen. Zwar war das KZ kein Vernichtungslager wie Auschwitz, aber hier starben sehr viele durch Zwangsarbeit und etwas später, nach dem Bau eines Krematoriums, began auch in diesem KZ die Vernichtung. Erschreckend ist, dass die Anwohner*innen von Oranienburg über das Lager Bescheid wussten und sich größtenteils indifferent gegenüber der Schreckenherrschaft der Nazis verhielten.

Die Führung führte an den SS Baracken vorbei, welche heute eine Polizeischule beherbergen(!), und durch das einzige Eingangstor mit den zynischen Aufschriften “Schutzhaftlager” und “Arbeit macht Frei” in das Lager selbst rein. Dort besichtigten wir eine rekonstruierte Baracke, auf welche in den 90er Jahren von Neonazis ein Brandanschlag verübt wurde wegen der Einrichtung einer jüdischen Gedenkstätte. Als letzte Etappe zeigte man uns das Krematorium in dem Häftlinge erschossen oder in einer Gaskammer umgebracht wurden.

Mit einer bedrückten Stimmung fuhren wir danach zurück nach Berlin und beendeten den Tag mit Essen und etwas Berlin erkunden.

 

Dritter Tag

Führung durch das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors

polizeiAls letzten Programmpunkt besuchten wir vor unsere Abreise am Mittag das Dokumentationszentrum “Topographie des Terrors”. Das Dokumentationszentrum ist eine Dauereinstellung mit freien Eintritt, welche an der Stelle steht, wo im dritten Reich die Zentralen der Geheimen Staatspolizei, der SS und des Reichsicherheitsamts waren. Vom Gebäude selbst sind zwar nur noch ein paar Fundamente zu sehen, im inneren des Zentrums erwartet den Besucher aber eine sehr ausführliche Ausstellung über den Sicherheitsapparat des faschistischen Regimes. Da wir nur eine kurze Führung durch das Zentrum bekammen, konnten wir uns leider nicht alles anschauen.

Im Zentrum wird gezeigt wie der Sicherheitsapparat als Vereinigung von Gestapo, SS, Kriminalpolizei, Sicherheitsdienst und weiteren Institutionen es schaffte eine Terrorherrschaft der NSDAP zu errichten. Dabei wird die Vereinigung der Strafverfolgung unter Parteiführung genauso erläutert, wie der Aufbau des Lagersystems und die Verfolgung verschiedenster Personengruppen (insbesonders Juden, Homosexuelle und Oppositionelle). Deutlich wird, wie unin der BRDmöglich diese Terrorherrschaft gewesen wäre ohne die Unterstützung der Bevölkerung. Bemerkenswert ist, dass im Zentrum die Kontinuität zwischen dem Naziregime und der BRD ausführlich beleuchtet wird. Gezeigt wird, dass niedrigere Beamte nicht aus dem Dienst entfernt wurden und das ehemalige Unterstützer der NSDAP weiterhin auf allen Ebenen der Politik aktiv waren, sogar im Kabinett des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Umsoweniger ist es verwunderlich, dass dieser schon 1952 sagte: “Wir sollten jetzt mit der Naziriecherei einmal Schluss machen, denn, verlassen Sie sich darauf, wenn wir damit anfangen, weiß man nicht, wo es aufhör”. Das in diesem Zentrum so offen und kritisch auf die Verstrickung von Naziregime und BRD aufgezeigt wird, hatten wir nicht erwartet, da sonst immer versucht wird die “Entnazifizierung” als geglückt darzustellen. Als solches können wir das Dokumentationszentrum für alle weiterempfehlen, denen das Ausmaß der Verfolgung und des Terrors interessiert und keine Scheu haben Fakten über die Kontinuitäten zu erfahren.

Anschließend blieb uns, inzwischen alle erschöpft von den lehrreichen Tagen und den spannenden Nächten, nur noch die lange Rückfahrt.

 

Fazit

Insgesamt war die Reise sehr lehrreich und auch lustig, trotz weniger Kritikpunkte an der etwas schwierigen Ernährung (insbesonders Vegan war eine komplizierte Angelegenheit) und der Oberflächlichkeit der Besichtigung des Reichtages und ein paar weitere Kleinigkeiten. Daher: Empfehlenswert! Wir werden uns natürlich bemühen, dass alle in der Linksjugend [‘solid] Baden Württemberg von den nächsten derartigen Bildungsfahrten erfahren.

Eure Reisegruppe.

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