“Das lebende Fossil” Podcast von Fionn Stacey

Der gängige Marxismus ist ein lebendes Fossil, eingeschlossen im harten Gestein seiner Leidensgeschichte. Ein Fossil lebt normalerweise nicht, es kann sich nicht bewegen. Die Marxisten sind jedoch lebendige Wesen und ihr Anliegen der realen lebendigen Welt entnommen und auf sie bezogen. Zu Lebzeiten dazu verurteilt, ein Fossil zu sein, lebt der Marxismus und kann sich dennoch nicht bewegen. Will man ihn befreien, muss man ihm wehtun, denn die Werkzeuge, mit denen wir versuchen, seine Schale zu durchbrechen, treffen immer auch ihn selbst. All die Marxisten, die ihn schützen, halten ihn in seiner Reglosigkeit und schützen seinen Panzer. Ihr Dienst widerstrebt dem lebendigen Wesen der marxschen Maxime: De Omnibus debutandum (alles soll angezweifelt/kritisiert werden). Ans Licht der Welt zu zerren und ohne Scham und falsche Rücksichtnahme den Menschen ehrlich ihre Unzulänglichkeiten vorzuhalten war und ist das marxsche Projekt. Die bürgerlich-christliche Realitats- (bzw. Existenz-) Angst sollte aufgelöst werden.

Und nun? Da sitzen sie in ihrer Trutzburg und lassen nichts hinein und nichts hinaus was ihnen verdächtig erscheint – und verdächtig erscheint ihnen vieles, denn das Verdächtigen ist ihr Geschäft. Sie sind die Lebensangst. Und die Staaten und Apparate, die sie schufen, schaffen die Starrheit. Ach, wie konnte das geschehen? Geboren im Chaos einer unleserlichen Handschrift, im Wirbel von Revolutionen, im Geist unbändigbarer Exzentrizität wurde die Mutter der Langeweile geboren, deren Enkel mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen den Zug der Geschichte mal aufs mal an sich vorbeirauschen lassen. Die Kraft der Veränderung wird so bitter benötigt, doch sie stehen da, untätig, trotzig, nicht bereit sich zu rühren, in Bewegung zu kommen, und nennen sich doch “Bewegung”.

Eine Bewegung deren vornehmlichstes Ziel es ist sich die Parolen von Gestern mit eiserner Miene einzubläuen. Für die die im KZ starben, für die Märtyrer denen man verpflichtet ist, deren Leid unvorstellbar ist und sich eingebrannt hat in Generationen von Furcht. So humpelt die Linke, schwer verwundet, der Geschichte höchstens noch hinterher statt sie abzuschieben und entdeckt in sich die Übel ihres Feindes wieder. Das Rigide, die gedankenlose Tradition, das unanzweifelbare Heilige, das nicht verändert werden darf, weil auch die Vorväter es schon so taten.

Die antropologischen Grundprobleme von Veränderung werden der Linken so plötzlich bewusst in Form ihrer eigenen Probleme. Schwerlich kann sie daher noch glaubhaft ihr Lieblingsspiel spielen und mit dem Finger auf das Andere zeigen und sagen “Du bist das Problem! Ich bin die Lösung! Du hast nichts verstanden! Ich habe verstanden! Du musst so werden wie ich!” Dieses Spiel hat sich ausgespielt und das ist gut so. Es zeigt, dass der eiserne Vorhang zwischen der Linken und dem Rest der Welt gefallen ist. Denn auf dieser Irrfahrt sitzen wir nun alle im selben Boot. Der Rest der Gesellschaft ist der Linken wenigstens in dieser Erkenntnis vorraus. Die Probleme gehen nicht nur uns alle etwas an, sie haben auch mit uns alle etwas zu tun. Mit der Art und Weise wie wir Menschen funktionieren, wie wir unsere Zivilisation ausgerichtet haben, wie wir denken und sind. So haben wir auch alle in dieser Krise etwas über uns selbst und unser eigenes Sein zu lernen. Keiner ist mehr der Schulmeister. Nicht ich, nicht du, nicht der alte Marx, nur die Welt ganz allein, ob wir uns ihr öffnen oder nicht.

Zurück zur Startseite