„Die kurdische Freiheitsbewegung wird nicht nach Freiheit betteln“

Übernommen von Lower Class Magazine

Xebat Derik ist als Internationalist in Rojava und kämpft in den Reihen der YPG. Im Interview spricht er über den Krieg in Bakur, den Allag in der YPG und die zivilen und militärischen Erfolge der letzten Zeit.

In Anbetracht der aktuellen Ereignisse in der Türkei: Wie schätzt ihr den Putschversuch in der Türkei ein, wie seht ihr die Schritte die Erdogan jetzt unternimmt? Welchen Einfluss kann das auf den kurdischen Freiheitskampf in Bakur, aber auch in Rojava haben? 

Im innertürkischen Machtkampf stellen wir uns auf keine der zwei Seiten. Fest steht, dass weder der versuchte Militärputsch noch der danach begonnene Diktaturisierungs-Prozess den Bedürfnissen und Rechten der Menschen in der Türkei dienen sollte und wird, sondern nur den Machtinteressen gewisser, miteinander konkurrierender Eliten. Die nun folgende Inszenierung Erdogans ist für uns weder Überraschung noch etwas gänzlich Neues. Der in Nordkurdistan seit über einem Jahr geltende Kriegs- und Ausnahmezustand wurde auf die gesamte Türkei ausgedehnt. Für uns ändert das nicht viel. [Wir wollen uns die Freiheit nicht schenken lassen], sondern sie erkämpfen.

Die Grenzen nach Bakur und nach Basur sind geschlossen, gibt es denn momentan überhaupt die Möglichkeit für InternationalistInnen, nach Rojava zu kommen?

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KämpferInnen der YPJ und der YPG in Rojava

Die durchweg feindseligen Annäherungen durch die Türkei und die südkurdische Regionalregierung unter Federführung der KDP an die Revolution in Rojava verschärfen die Situation vor Ort natürlich und setzten vorallem die Menschen in Rojava unter Druck. Ökonomisch, politisch und sozial. Für unsere militärischen Arbeiten spielt das Embargo eher eine untergeordnete Rolle, wo ein Wille ist findet sich – mit etwas Geduld – auch immer ein Weg.

Wie läuft es ab, wenn man sich der YPG anschließen will und wie sieht die Ausbildung und der Alltag aus?

Über unsere Homepage kann jeder und jede mit uns in Kontakt treten und sich mit einem ernsthaften Schreiben zur eigenen Person und Motivation vorstellen. Bei gegenseitigem Einverständnis organisieren wir den Weg nach Rojava. Hier gibt es dann eine mehrwöchige Ausbildung samt Sprachunterricht zu Kultur und Ethik sowie Geschichte und Politik sowie militärische Grundausbildung. Danach gehts in die Praxis der YPG, das heißt im Normalfall in unsere Kampfeinheiten,. Das kann aber auch Arbeit in spezielleren Einheiten wie der Medic-Einheit oder anderen Arbeitsbereichen bedeuten. Wir orientieren uns dabei sowohl an den aktuellen Erfordernissen vor Ort als auch an den Wünschen und Fähigkeiten der InternationalistInnen.

Warum wollt ihr InternationalistInnen in euren Kampf miteinbeziehen? Braucht ihr Soldaten?

Die Grundlage für unsere internationalistische Organisierung in YPG sind recht vielfältig. Einerseits freuen wir uns natürlich über konkrete Unterstützung im Kampf gegen Daesh, dabei sind die internationalen Freundinnen und Freunde immer ein besonders motivierender Faktor. Andererseits geht es uns aber mehr noch darum Menschen von ausserhalb einen Zugang zu unserer Bewegung zu ermöglichen, die Möglichkeit zu bieten diese Bewegung kennen und verstehen zu lernen. Schliesslich hoffen wir, dass die Revolution nicht in Rojava oder Kurdistan stehen bleibt, sondern Menschen aus aller Welt von ihr lernen und sich genauso erfolgreich dem revolutionären Kampf in ihren Heimatländern widmen werden.

In letzter Zeit gibt es vermehrt Nachrichten über militärische Erfolge der YPG, erst der Vormarsch auf Raqqa, dann die Eroberung Manbijis. Wie ist die militärische Situation momentan?

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InternationalistInnen vor einer „Werbetafel“ von
Daesh nachdem die Ortschaft befreit wurde

Die Eroberung Manbijs geht ihrem Ende zu. Es waren und sind immer noch harte Käempfe, weil die Verbindung zwischen der Türkei und Raqqa die letzte verbliebene Lebensader von Daesh in Rojava und Nordsyrien darstellt und wir mit der Eroberung von Manbij diese durchtrennen werden. Der Widerstand des Feindes dagegen ist heftig, aber aussichtslos.

Neben den militärischen Fortschritten geht auch der zivile Aufbau voran und die demokratischen Strukturen werden weiter ausgebaut. Wie steht es um den demokratischen Aufbau, wie sieht die Beteiligung der Bevölkerung an den demokratischen Prozessen aus?

Mit der Ausrufung des Demokratischen Federalen Systems in Nordsyrien und Rojava haben die Strukturen des Demokratischen Konföderalismus einen wichtigen Schritt nach vorne getan. Auch in den befreiten Gebieten breitet sich die basisdemokratische Organisierung unter Beteiligung aller Minderheiten und der verschiedenen religioesen und ethnischen Gruppen aus, aber solange die militärische Situation sich nicht entspannt fliessen natuerlich noch viele Ressourcen in den Krieg. Wir hoffen nach der Vereinigung Afrins mit den anderen Kantonen noch mehr Kraft in den zivilen Aufbau legen zu können.

– Das Interview führte Karl Plumba

Ihr findet die Seite der YPG International unter https://ypginternational.blackblogs.org/

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