AfD: Stadtbücherei Heidelberg blamiert sich bis auf die Knochen

Oder: Kritische Fragen an Leute, die Räume vermieten: “Bitte lest ein Geschichtsbuch”

Bild des Haupteingangs der Stadtbücherei Heidelberg

Die Linksjugend [‘solid] Heidelberg verurteilt das Vorgehen der Stadt aufs Schärfste, der rassistischen AfD den Hilde-Domin-Saal für ihre Feierlichkeiten zum einjährigen Bestehen der baden-württembergischen Landtagsfraktion zur Verfügung gestellt zu haben.

Kleiner Exkurs in die Partei…

Wir halten fest: Die AfD, das ist die Partei, deren Noch-Parteimitglied Björn Höcke im Oktober 2015 in Thüringen einst in bester Goebbels-Manier “1.000 Jahre Deutschland” beschwor. Die Partei, die im Landtag Sachsen-Anhalts einen gewissen André Poggenburg beherbergt, der in seinen Landtagsreden offen über Zwangsarbeit für Linke (wohl alles, was ihm nicht in den Kram passt) und “Schädigung am deutschen Volkskörper” schwadroniert – an diesem NS-Jargon gibt es nichts zu beschönigen, dessen Nähe zur NPD und zur radikalen Rechten ist hinlänglich bekannt.

Wir halten auch fest: Es handelt sich um jene Partei, die sich ihres Antisemitismus nicht dadurch entledigt hat, dass sie den Singener Abgeordneten Wolfgang Gedeon aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion ausgeschlossen hat. Dass sich noch ein Teil der Fraktion hinter den Verschwörungstheoretiker stellte zeigt, wie hoch das Potenzial für krude Thesen ist. Wir könnten hier noch mehr aufzählen, aber das sprengt den Rahmen. Viel lieber haben wir an die Stadt- und Bibliotheksverwaltung sowie an die Kommunalpolitik ein paar kritische Fragen.

1.) Fühlt es sich nicht komisch an, einer Partei in einer Bibliothek ein Forum zu geben, die rechte Strukturen in Deutschland hat wiedererstarken lassen? Ihr wisst schon, welche Folge das Erstarken faschistoider Bewegungen für Bücher haben kann? Wenn nicht, in der Bib findet sich sicherlich auch eine Sektion, die sich mit Geschichte auseinandersetzt.

2.) Noch dazu vergebt ihr den Hilde-Domin-Saal an diese Partei? Ihr wisst schon, dass Hilde Domin unter der Judenverfolgung der Nazis zu leiden hatte? Für Hilde Domin und ihre Verwandtschaft sind in Köln Stolpersteine verlegt. Ihr könnt ja gerne mal recherchieren, welches Verhältnis die AfD zu Stolpersteinen hat. Die Aktion, die die Stadt hier gebracht hat, hat den Postillion leider in der Realität überholt.

3.) War das nicht als öffentliche Veranstaltung geplant? Die AfD selektierte das Publikum mehr oder minder nach Parteibuch vor. Rein kam nur, wer genehm war. Kritische Stimmen, Presse, antifaschistischer Protest? Will die AfD zur demokratischen Meinungsbildung beitragen oder will sie ungestört ihre Leute – meist alte weiße Männer – scharf machen?

4.) Warum wird die Polizei darauf verwendet, dieses undemokratische Vorgehen zu schützen?

Liebe Stadt Heidelberg, liebe Stadtbücherei: Bitte seid doch so nett und beantwortet uns diese Fragen einmal in Ruhe. Wir möchten nicht länger davon ausgehen müssen, dass eine “Wir sind bunt”-Rhetorik lediglich ein Feigenblatt für das Stadtmarketing darstellt. Denn es steht im Widerspruch zur Realität.

Doch als Linksjugend [‘solid] Heidelberg haben wir allen Grund dazu: Wissenschaftsministerin Theresia Bauer posiert für jedes Foto der Stadt, während sie in Sachen Studiengebühren schwärzeste Politik betreibt, die eben weniger begüterte Leute aus anderen Ländern vom Studium ausschließt. Per wissenschaftlicher Definition rassistisch. HeidelbergCement bedient Trumps rassistische Allmachtsphantasien und eine Tochter dieser Firma hat in Indonesien das ein oder andere Menschenleben aus Profitinteresse definitiv auf dem Gewissen.

Liebes Heidelberg, du gibst dich so bunt, so intellektuell, so interkulturell. Doch wenn man an dieser Oberfläche ein wenig kratzt, kommt recht fix ein stumpfer, miefig-brauner Morast zum Vorschein.

Und hier noch 2 Klarstellungen für AfD-Wähler*innen & Sympathisant*innen

Demokratie

Die AfD behauptet gerne, mir ihr würde undemokratisch umgegangen werden. Auch am Freitag hieß es, es sei “eine Schande für die Demokratie”, dass sie “nur mit Polizeischutz” eine Veranstaltung durchführen könne.

Fakt ist aber:

  • Die AfD hat von der Stadt einen Raum bekommen, der bspw. der Partei Die Linke mit Verweis auf Neutralität städtischer Räume bislang verwehrt blieb.
  • Die AfD wurde von der Polizei dabei unterstützt, bei einer als öffentlich angekündigten Veranstaltung zu selektieren – da auch Presse und nicht-AfD-Stadträte wurden nicht eingelassen wurden, ging es nicht um Sicherheit sondern um Vermeiden von kontroversen Fragen (für die, die es reingeschafft hatten, gab es übrigens am Ende eine Fragerunde, diese war allerdings sehr kurz)
.
  • Der Gegenprotest war friedlich, die AfD wurde in keinster Weise an irgendeiner Tätigkeit gehindert, nach der Veranstaltung debattierten noch einige Antifaschist*innen mit AfD-Mitgliedern und Sympathisant*innen – völlig gewaltfrei

Fazit: Undemokratisches Verhalten ging im Vorfeld von den Verantwortlichen der Stadtverwaltung und am Abend selbst von der AfD aus und wurde durch angeheuerte Security-Personen und die Polizei ausgeführt.

Links & Linksautonom

In den Redebeiträgen von Rüdiger Klos und Martin Renner hieß es…

…Neomarxismus der Linkssozialen und Internationalisierung und Globalisierung der Politik seien eins und die Gesellschaft sei linksdoktriniert.
Nein. Links heißt offene Grenzen für Menschen und Verteilungsgerechtigkeit. Die derzeitige Globalisierung heißt offene Grenzen für Materielles und Menschen mit genug Materiellem in Kombination mit einer Zuspitzung der Verteilungsungerechtigkeit [1]. Menschen in Not werden dagegen abgewiesen [2]. Das hat mit links nichts zu tun.

…die Linksautonomen in BaWü seien von CDU & FDP unterstützt.
Nein. CDU und FDP setzten sich bspw. für einen Polizeistaat ein [3], und wie ihr spätestens seit gestern wisst, ist die Polizei gerne der AfD behilflich – nicht aber den Linksautonomen [4].

[1] http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung
[2] https://www.youtube.com/watch?v=DTkBs_Gvwy4
[3] auf Bundesebene: http://ficko-magazin.de/ficko-startet-die-kampagne-nein-zum-polizeistaat/
lokal: http://www.linke-piraten-hd.de/de/2017/04/27/kameraueberwachung-am-bismarckplatz-und-am-hauptbahnhof-mehr-schaden-als-nutzen/
[4] https://www.facebook.com/aiheidelberg/posts/1864164143847613

Das letzte geht an alle, die glauben wir wären nur auf Konflikt aus

Mit Hass auf Hass zu reagieren, ist weder zielführend noch links.

Deswegen werden wir weiterhin den Dialog suchen. Da eine Mehrheit der Bevölkerung nationalistisch denkt [5] und handelt, halten wir Dialog im Sinne einer argumentativen Auseinandersetzung für einen unverzichtbaren Bestandteil linker Bewegungen.
Dialog heißt nicht, linke Positionen aufzugeben, um Zustimmung zu erhalten, wie bspw. Die Linke dies mit Sahra Wagenknecht praktiziert.

Das Blockieren und Sabotieren von Aktionen menschenfeindlicher Akteur*innen erachten wir als legitim, allerdings sollte die Interaktion nicht ausschließlich destruktiv sein, denn: Niemand wird mit nationalistischen Denkweisen geboren, diese werden erst aufgenommen und können (meistens) durch Aufzeigen von Alternativen durchbrochen werden – wer sollte das tun, wenn nicht wir?

Links sein heißt, Vertrauen darin zu haben, dass Menschen erst sich und dann die Welt zum Besseren für alle ändern können. Wir kämpfen nicht gegen Menschen, sondern gegen die Gedanken, die ihnen Menschenfeindlichkeit als normal erscheinen lassen.

 

[5] http://www.schmidt-denter.de/forschung/identitaet/pdf-files/FB_25.pdf (bspw. S35)

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