Es war eine Sensation im äußerst negativen Sinn: Bei der Kommunalwahl am 25. Mai konnte die NPD aufgrund des neuen Auszählverfahrens mit nur 1,1 % der Stimmen einen Sitz im Gemeinderat erlangen. Dieser entfällt auf den Listenführer Christian Hehl.
Hehl wurde 1969 in Ludwigshafen geboren und ist als Hooligan des SV Waldhof seit Jahrzehnten bekannt. Er war Mitglied in mehreren bereits in den 90er Jahren verbotenen rechtsextremen Organisationen und ist heute noch aktiv im internationalen rechtsradikalen Netzwerk „Blood and Honour“. Bei der Bundestagswahl 2002 war er Ludwigshafener Direktkandidat für die NPD. Seine politische „Karriere“ geht einher mit mehreren Strafanzeigen, u.a. wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung. Seit etwa zehn Jahren wohnt Hehl in Mannheim.
Das Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ rief nach Veröffentlichung des vorläufigen Endergebnisses am Dienstagnachmittag spontan zu der Kundgebung gegen die NPD am Mittwochabend, 28. Mai, auf. Auf dem Paradeplatz versammelten sich viele Hundert Menschen aus den verschiedensten Parteien und Organisationen, um nicht nur rechtsradikales Gedankengut klar abzulehnen, sondern der Stadtbevölkerung zu zeigen, dass die demokratischen Bürger*innen keine Nazis in der Kommunalpolitik dulden werden. Auf dem Paradeplatz hielten zahlreiche Vertreter*innen Reden, in denen sie sich fassungslos über diesen Triumph der NPD zeigten. Ralf Eisenhauer von der SPD zeigte sich erschüttert darüber, dass mehr als 60 Prozent der Wahlberechtigten Mannheimer*innen kein Interesse an der Stadtpolitik zu haben scheinen, was den Erfolg für die NPD begünstigt hat.
Vom Paradeplatz aus zogen die friedlichen Demonstrierenden weiter zu den Kapuzinerplanken, wo u.a. der wiedergewählte Stadtrat der LINKEN, Thomas Trüper, das Wort ergriff. Er hofft, dass sich die Wut und der Zorn über dieses Wahlergebnis „in eine große, gemeinsame Kraft“ verwandeln. Die Ablehnung gegenüber der NPD wird nicht wie üblich nur von LINKE, SPD und Grünen demonstriert, sondern auch von einzelnen Vertreter*innen der Piraten, der FDP (Volker Beisel) und der CDU (Rebekka Schmitt-Illert) bekundet. Von der AfD hat sich niemand am zwischenzeitlich auf rund 1000 Teilnehmer*innen angewachsenen Demonstrationszug beteiligt.
Das nächste Ziel war das Haus von Christian Hehl in S4, 3. Dort klärten Aktivist*innen der Antifa die Protestierenden über den persönlichen Werdegang von Hehl auf. Dabei kam es zu einer kurzen Störung durch einen NPD-Sympathisanten, der vermutlich Hehl besuchen wollte. Nachdem er die Demonstrierenden provoziert hatte, wurde er von der Polizei des Platzes verwiesen. Die letzte Station war das Rathaus, wo Mal Elevé, Sänger der Band Irie Révoltés, gegen Nazis rappte.
Von vielen Passant*innen erhielten die Teilnehmer*innen Lob und Zuspruch – ein Beweis dafür, dass viele Menschen über die NPD im neuen Gemeinderat geschockt sind. Doch auch einige Provokateure haben gezeigt, dass rechtes Gedankengut in zu vielen Köpfen vorherrscht: Schließlich leben die Menschen, die die NPD gewählt haben, unter uns. Möglicherweise in der Nachbarschaft oder sogar im eigenen Haus. In den kommenden fünf Jahren müssen die demokratischen Parteien beweisen, wie man mit solchen Menschen umgehen muss: Gute Argumente bringen und verhindern, dass hetzerische rechtsradikale Parolen Gehör in der Bevölkerung finden. Vielmehr müssen sie sogar beweisen, dass nationalsozialistische Lösungsvorschläge keine Lösung sind – sondern die Probleme verschlimmern. 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges scheinen viele Menschen vergessen zu haben, was für ein Leid die Programmatik der Rechten herbeiführt. Außerdem muss von nun an mehr denn je die Bevölkerung stärker in die Politik eingebunden werden: Eine höhere Wahlbeteiligung in fünf Jahren würde die demokratischen Parteien stärken und Nazis aus dem Gemeinderat verdrängen. Doch auch bis dahin bleibt Mannheim wie in den vergangenen Jahrhunderten bunt!