Beschluss vom 01.10.2025
Die Ein-Staaten-Lösung ist der einzige Weg zum Frieden, bei dem kein Genozid begangen wird.
Dieser Beschluss knüpft an den letzten Beschluss „Palästina – Standpunkt zur Lage und dem Beschluss des Parteivorstands am 8. Mai 2025“ an. Genauer bezieht er sich auf die folgende Stelle:
Eine ausgewogene Positionierung erfordert die klare Forderung der Anerkennung des palästinensischen Staates. Die Forderung nach der Anerkennung eines souveränen palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 wäre ein Schritt in diese Richtung, auch wenn eine Lösung mit einem emanzipatorischen einheitlichen Staat die bessere wäre.
Wir möchten hervorheben, dass wir der Meinung sind, dass keine Nationalstaaten ein Existenzrecht haben. Ausschließlich Menschen haben die Rechte an dem von ihnen gewählten Ort zu leben und das ohne Verfolgung, Leid, Vertreibung und Genozid erleben zu müssen.
Außerdem sind wir der Meinung, dass wir nicht in der Position sind, für die Menschen vor Ort zu entscheiden, wie sie zusammen leben sollen. Damit diese Debatte vor Ort geführt werden kann und auch von internationalen Gerichten anerkannt wird, ist die völkerrechtlich anerkannte Lösung die Anerkennung Palästinas als Staat. Dies ist allerdings erst der Anfang der Lösung des Nahostkonflikts. Ob dieser Ansatz zu einer dauerhaften Zweistaatenlösung führt oder nicht, liegt nicht in unserer Hand.
Dieser Ansatz ist nicht optimal, aber die schnellste Möglichkeit den Genozid zu stoppen und den Palästinenser*innen die Möglichkeit zu geben für ihre Rechte einzustehen.
Wir möchten in diesem Beschluss unsere Position erläutern und ungenaue Formulierungen und Fehler aus dieser Stelle korrigieren.
Beginn des Konflikts
Dieser Konflikt begann nicht am 7. Oktober 2023. Dieser Tag und der terroristische Überfall der Hamas, welcher zum Ziel hatte israelische Geißeln zu nehmen, um sie später gegen palästinensische Geiseln einzutauchen, war lediglich ein weiteres Event, welche der zionistischen Regierung Israels in die Hände spielte. Als Reaktion auf diesen Angriff konnte eine alte Taktik, welche sich während der ersten Wochen der ethnischen Säuberung 1947 als nicht effektiv erwiesen hatte, da die palästinensische Bevölkerung jüdische Siedlungen nicht aggressiv bekämpften, sondern sich lediglich nach Normalität sehnten und diese auch lebten, angewendet werden. Die Gewalt an den Palästinenser:innen wird als Vergeltung, auf Hebräisch „tagmul“ verkauft. Und so die Brutalität der folgenden Angriffe auf Palästinenser:innen vor der Welt zu rechtfertigen.
Der endlose Konflikt zwischen der zionistischen Bewegung und den Palästinenser:innen begann am 2. November 1917 mit der Balfour-Erklärung. Dem Versprechen von Großbritannien, eines jüdischen Nationalstaats für die jüdischen Siedler:innen.
Durch die Teilungsresolution der UN, welche am 29.11.1947 verabschiedet wurde, spannte sich die Situation weiter an, sodass es Anfang Dezember – also fünf Monate vor der Gründung des Staats Israel, wodurch eine „Selbstverteidigung“ des Staates ausgeschlossen ist – zu den ersten ethnischen Säuberung der Nakba.
In den folgenden Monaten der ethnischen Säuberung der, durch die UN Teilungsresolution, den jüdischen Siedler:innen zugesprochenen Teil Palästinas – und auch Teile des arabischen Gebietes – wurde die Hälfte des palästinensischen Volkes vertrieben und die Hälfte der palästinensischen Dörfer zerstört.
Die Nakba
In diesem Abschnitt werden die Ereignisse der Nakba kurz geschildert, um die Zusammenhänge mit den Vorgängen in Gaza und der Westbank sowie die zionistische Ideologie zu verstehen.
In den meisten Schilderungen der Geschehnisse beziehen wir uns auf das Buch „Die ethnische Säuberung Palästinas“ von Ilan Pappe.
„Nur ein Staat mit mindestens 80% Juden ist ein lebensfähiger und stabiler Staat“, hieß es in einer Rede von Ben Gurion – ein jüdischer Migrant der 1906 aus Polen nach Palästina kam und sich von David Grün in David Ben Gurion umbenannte, um bei der Gründung einer Untergrundarmee, welche einem zukünftigen jüdischen Staat dienen und für ihn kämpfen würde, zu helfen – vom 3.12.1947 vor Parteimitgliedern der Mapai.
Um das zu erreichen und die Palästinenser:innen, die durch das Leben in Palästina, diesem Ziel entgegenstehen „können sie [Palästinenser:innen] massenhaft verhaftet oder vertrieben werden; besser ist, sie zu vertreiben“, wie Gurion 22 Tage zuvor einem Gremium der Jewish Agency erläuterte.
„gewaltsame Erkundung“
Einen Monat später, am 11.12.1947, begannen die Einschüchterungsversuche der Palästinenser:innen in einigen Dörfern durch nächtliche Terrorisierung durch jüdische Truppen.
Bei der “gewaltsamen Erkundung”, wie sie von den jüdischen Truppen genannt wurden, wurde gegen Mitternacht in ein wehrloses Dorf eingefallen und es besetzt.
Es wurde auf alles geschossen, was sich bewegte oder es wagte, das Haus zu verlassen.
Nach einigen Stunden zogen sich die Besetzer dann wieder zurück und hinterließen ein Gefühl von Unsicherheit und Angst bei den Dorfbewohner:innen.
Diese Aktionen wurden zum Großteil von drei Organisationen durchgeführt:
Der Hagana, der Irgun und der, aus einer Spaltung der Irgun entstandenen, Lechi, welche von der britischen Mandatsmacht auch als Stern-Gang oder Stern-Gruppe nach ihrem Gründer Avraham Stern bezeichnet wurde.
Es wurden vorerst zwei Dörfer ausgewählt, um diese Taktik durchzuführen.
Diese Dörfer waren Deir Ayyub südöstlich von Ramla und Beit Affa im Gazastreifen.
Am 21.12.1947 gegen 22 Uhr stürmte ein Trupp von 20 jüdischen Soldaten ins Dorf und schossen wahllos auf Gebäude. Später wurde das Dorf noch dreimal angegriffen, bis es im April 1948 endgültig von Jischuw Kräften angegriffen wurde. Die Überlebenden wurden vertrieben bzw. zwangsdeportiert. Das Dorf wurde im Anschluss geplündert und komplett zerstört, um jegliche Rückkehrambitionen der Einwohner:innen zunichtezumachen.
In Beit Affa konnte der Angriff erfolgreich abgewehrt werden.
Am 18.12.1947 überfielen zionistische Truppen Khisas. Ein Dorf, in dem ein paar hundert Muslime und etwa hundert Christen in Frieden zusammenlebten.
Bei dem Überfall wurden wahllos Häuser gesprengt und dabei 15 Bewohner:innen getötet. Die Hagana leugnete das Geschehen erst, bis sie es schließlich zugaben.
Nach einer Sitzung der Beratergruppe um Ben Gurion am 17.12.1947 wollte man sich eher auf Stadtviertel in Palästina konzentrieren. Als erstes Ziel wurde Haifa ausgesucht und die 75000 dort lebenden Palästinenser:innen durch gemeinsame Aktionen der Hagana und Irgun terrorisiert.
Die zionistischen Truppen ließen Sprengstofffässer und riesige Stahlkugeln von nahegelegenen Hängen in das Stadtviertel rollen, gossen ein Gemisch aus Öl und Benzin auf die Straßen, ließen es herunterfließen und zündeten es an. Als die Bewohner:innen daraufhin aus ihren Häusern kamen, um das Feuer zu löschen, wurden sie mit Maschinenpistolen beschossen. Mitglieder der Truppen brachten Autos, die mit Autobomben ausgestattet waren, in palästinensische Werkstätten und zerstörten sie damit.
Verschärfung ab Februar
„Es ist jetzt notwendig, energisch und brutal zu reagieren. Wir müssen Zeitpunkt, Ort und die, die wir angreifen, sorgfältig auswählen. Wenn wir eine Familie beschuldigen, müssen wir erbarmungslos gegen sie vorgehen, Frauen und Kinder eingeschlossen. Sonst ist es keine effektive Reaktion. Während der Operation ist es nicht nötig, zwischen schuldig und unschuldig zu unterscheiden“, schrieb Ben Gurion in seinem Tagebuch.
Gegenüber der jüdischen Gemeinschaft betonte er, dass dieser (sehr einseitige) “Krieg” darauf abzielte, die jüdische Gemeinde zu zerstören und zu eliminieren.
Die jüdischen Opfer der gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen den zionistischen Angreifern und Dorfbewohnern, die versuchten ihre Dörfer zu verteidigen (falls es überhaupt Widerstand gab), wurden als Opfer eines “zweiten Holocaust” dargestellt. Gurion zielte damit darauf ab, dass die Juden, die gerade den Holocaust erlebt hatten, nicht davon zurückschrecken die Palästinenser:innen zu vertreiben.
Während dieser Reden und Ansprachen fand die Provokation der Zionisten und die Passivität der Palästinenser:innen keine Erwähnung.
Daraufhin begannen die zionistischen Truppen mit der ethnischen Säuberung ganzer Dörfer.
Am 13.2.1948 wurden in Jaffa willkürlich Häuser mitsamt den Menschen darin in die Luft gejagt, um die palästinensischen Bewohner:innen zu vertreiben.
Es wurden Angriffe auf die unbewaffneten und nicht verteidigungsfähigen Dörfer Qisarya, Khirbat al-Burj und Barrat Qisarya durchgeführt. Letzteres ist daraufhin “restlos verschwunden”. In diesen Dörfern lebten Palästinenser:innen und Jüd:innen Seite an Seite, friedlich nach dem Motto “leben und leben lassen” bis zur Säuberung zusammen.
Im Dorf Sa’sa hieß der Befehl 20 Häuser sprengen und so viele Bewohner wie möglich zu töten. Die zionistischen Truppen sprengten 35 Häuser und töteten 60 bis 80 Menschen. Darunter viele Kinder.
Trotz dieser Angriffe kam kaum Kampfwille bei den Palästinenser:innen auf. Die Dörfer wurden kaum verteidigt und es wurden keine Gegenangriffe gestartet. Die meisten Vertriebenen dachten, dass sie bald wieder in ihre Dörfer zurückkehren und ihr gewohntes Leben fortführen könnten.
Während dieser Operationen stand Palästina noch unter der Mandatsverwaltung Großbritanniens. Die britischen Truppen und Verwalter unternahmen allerdings nichts dagegen und schauten nur zur.
Plan Dalet
Plan Dalet (vom hebräischen Buchstaben Dalet (ד)) war die vierte Iteration des Planes zur Eroberung des arabischen Teils des Mandatsgebietes. Nach den Plänen Aleph (א), Bet (ב), und Gimel (ג) wurde Plan Dalet am 10.03.1948 fertiggestellt und anschließend von Truppen der Haganah, Palmach, Irgun und Lehi ausgeführt.
Dieser Plan war eine Strategieänderung. Die zionistischen Truppen sollten von einer eher defensiven zu einer offensiveren Strategie übergehen. Die Hauptziele waren neben der Eroberung des arabischen Teils des Mandatsgebietes auch, den jüdischen Staat auszurufen und die Grenzen dieses Staates, sowie Jüd:innen innerhalb und außerhalb dieser zu schützen.
Anhand der zuvor angelegten Dorf-Dossiers wurden die Angriffe auf Dörfer und deren ethnische Reinigung effizienter, gezielter und blutiger.
Am 9.04.1948 gegen 4:30 Uhr wurde Deir Yasin von Truppen der Irgun, Lechi und Palmach angegriffen. Die Zionisten drangen in das Dorf ein und nahmen die Häuser mit Maschinenpistolen unter Beschuss. 200 der 600 Dorfbewohner:innen konnten über einen Fluchtkorridor aus dem Dorf fliehen, wurden dann aber teilweise vom Nachbardorf aus erschossen. Die Angreifer sprengten die Türen der Häuser und feuerten ins Innere oder warfen Granaten hinein. Die übrigen Überlebenden wurden an einem Ort zusammengetrieben und Menschen, die laut den Dorf-Dossiers verdächtigt wurden, sich an Aufständen beteiligt zu haben, wurden ermordet. Es wurden Leichen geschändet und Frauen vergewaltigt.
Ein Augenzeuge beschreibt die Geschehnisse so:
„Sie holten uns nacheinander heraus, erschossen einen alten Mann, und als eine seiner Töchter schrie, erschossen sie sie ebenfalls. Dann riefen sie meinen Bruder Muhammad und erschossen ihn vor unseren Augen, und als meine Mutter sich schreiend über ihn beugte – sie hatte noch meine kleine Schwester Hudra im Arm, die sie gerade stillte –, erschossen sie sie auch.“
Die zionistischen Angreifer befahlen den Kindern, sich an einer Wand aufzustellen und feuerten „zum Spaß“ auf sie.
Während des Massakers wurden 93 Menschen getötet. Und weitere Opfer als „im Kampf getötet“ nicht in den offiziellen Listen geführt.
Unter den Opfern waren auch 30 Babys.
„Tötet jeden Araber, den ihr trefft, setzt alles Brennbare in Brand und spreng die Türen auf“, war der Befehl des Massakers in Haifa. Daraufhin ergossen sich brennende Benzinströme und Sprengstofffässer von den umliegenden Hängen. Alle wurden zum Marktplatz getrieben und dort von Mörsern und Heckenschützen in Beschuss genommen.
Ein Augenzeuge berichtet: „Männer trampelten über ihre Freunde, Frauen über ihre eigenen Kinder. Die Schiffe im Hafen waren schnell voll von lebendiger Fracht. Sie waren furchtbar überfüllt. Viele kenterten und sanken mit allen Passagieren.“
In Akko wurde das Wasser mit Typhus vergiftet, woraufhin eine Epidemie ausbrach. Über Lautsprecher ertönten Ansagen: „Ergebt euch oder begeht Selbstmord. Wir werden euch bis zum letzten Mann vernichten.“
Ein ähnlicher Versuch, das Wasser in Gaza zu vergiften, wurde am 27. Mai von Ägypten verhindert.
Zwischen Januar und Mai 1948 wurden 250000 Palästinenser:innen aus ihren Dörfern vertrieben und zahlreiche Menschen wurden dabei ermordet.
Massaker nach der Gründung des Staates Israel
Am 14. Mai 1948 wurde der Staat Israel und am 31. Mai 1948 die IDF gegründet. Durch die IDF wurden die Untergrundorganisationen Hagana, Palmach, Irgun und Lechi, die die bisherigen Massaker durchführten, ein offizieller Teil Israels und führten die ethnische Säuberung unter neuem Namen im Auftrag des Staates fort.
Massaker in Tantura
„Er hatte eine Sten (Maschinenpistole) und tötete sie. Sie standen an der Wand, alle mit dem Gesicht zur Wand. Er kam von hinten und schoss ihnen in den Kopf, allen“, berichtet ein Augenzeuge.
Am 22.05.1948 wurde das Dorf Tantura mit 1500 Einwohner:innen von allen Seiten eingekesselt. Zwei Zionisten liefen Amok und töteten wahllos Menschen. Die übrigen wurden zum nahegelegenen Strand gebracht und in Männer (zwischen 10 und 50 Jahren) und Frauen und Kinder aufgeteilt. 230 der Männer wurden hingerichtet, teils als Vergeltung, teils aufgrund von Verhören zu einem nicht existenten Waffenlager. Die Männer wurden 200 Meter entfernt vor den Augen der Frauen und Kinder hingerichtet. Zwei Palästinenser mussten danach Massengräber für die Leichen ausheben.
Massaker und Kriegsverbrechen in Safsaf
Nach tagelangem Mörserbeschuss – wobei schon vor dem eigentlichen Angriff Menschen starben und die Leichen dieser nicht geborgen werden konnten, da unaufhörlich weiter geschossen wurde – wurde das Dorf am 29.10.1948 über Nacht schnell eingenommen.
Am Morgen wurde dann die übliche Prozedur durchgeführt. Alle Dorfbewohner:innen wurden auf dem Dorfplatz versammelt und 70 Männer als „Verdächtige“ bestimmt und hingerichtet. Die übrigen Bewohner:innen wurden vertrieben. Während der Flucht wurde, wie auch bei anderen Dörfern, über die Köpfe der Fliehenden geschossen.
Mündliche Überlieferungen berichten davon, wie eine schwangere Frau mit dem Bajonett aufgespießt wurde und von der Vergewaltigung von vier Frauen und einem Mädchen vor den Augen der Dorfbewohner:innen. Auch wenn ein gesundes Misstrauen bei mündliche Überlieferungen gut ist, gibt es hierbei keinen Grund daran zu zweifeln.
Nach dem Massaker mussten einige Dorfbewohner:innen, darunter 5 Jungen, zurückbleiben, um die Leichen zu sammeln und zu begraben.
Massaker in Dawaymeh
Am 28.10.1948 besetzte das 89. Bataillon der Brigade Acht das Dorf, welches durch den Strom an Fliehenden aus umliegenden Dörfern von 2000 auf 6000 Bewohner:innen angewachsen war.
Eine halbe Stunde nach dem Mittagsgebet kamen 20 Panzerfahrzeuge aus der einen und Soldaten aus der andern Richtung und rückten im Halbkreis ins Dorf vor. Die Panzerfahrzeuge eröffneten das Feuer mit automatischen Waffen und Geschützen.
Da die Vertreibung nicht so einfach wie sonst gelang, sprangen die Soldaten von den Panzern und schossen wahllos auf schutzsuchende Menschen.
Zählungen am nächsten Tag ergaben 455 Vermisste, darunter 170 Kinder und Frauen.
Jüdische Soldaten berichteten innerhalb von wenigen Tagen von grauenvollen Szenen. Babys mit gespaltenen Schädeln, Frauen, die vergewaltigt oder lebendig in ihren Häusern verbrannt wurden und erstochenen Männern.
Keine israelischen Soldaten wurden je für Kriegsverbrechen verurteilt.
Haft und Besetzung
Haftbedingungen
„[Als die Wachen merkten, dass 20 Insassen ausgebrochen waren,] steckte man uns, die Leute aus Tantura, in einen Käfig, schüttete uns Öl über die Kleider und nahm uns die Decken weg“, berichtete ein Insasse aus einem der Gefangenenlager.
Es wurden fünf zentrale Gefangenenlager errichtet. Das größte hatte 1949 circa 9000 Insassen. Zusätzlich wurden 3 Arbeitslager gebaut, um Palästinenser:innen für Israel arbeiten zu lassen.
Es fanden Massenexekutionen statt. Die Hagana-Richtlinie zur Behandlung der Kriegsgefangenen lautete: „Die Freilassung oder Eliminierung eines Gefangenen bedarf einer Genehmigung des Geheimdienstoffiziers.“
Das schützte die Insassen allerdings nicht vor körperlicher oder psychischer Gewalt.
Zeugenberichte aus diesen Lagern aus einem Interview von Muhammad Nimr al-Khathib berichteten davon, dass die Überlebenden des Massakers von Tontura in einem Verhau in er Nähe eingesperrt wurden. Dort waren sie drei Tage ohne Essen, bis sie auf Laster gestoßen wurden. Ihnen wurde befohlen, sich zu setzen, was wegen der Enge gar nicht möglich war, und man drohte ihnen, sie andernfalls zu erschießen. Sie schossen zwar nicht, prügelten aber auf ihre Köpfe ein und Blut spritzte überall hin. Mit den Lastern wurden sie in ein Arbeitslager nach Umm Khalid gebracht.
Dort mussten sie in den Steinbrüchen arbeiten und große Steine schleppen. Sie lebten von einer Kartoffel am Morgen und einem halben Trockenfisch zu Mittag. Sich zu beklagen war zwecklos, da das als Ungehorsam mit schwerer Prügelstrafe beantwortete wurde.
Nach 15 Tagen wurden 150 Männer in ein zweites Lager nach Jalil verlegt, wo man sie ähnlich behandelte: „Wir mussten den Schutt zerstörter arabischer Häuser wegräumen. Eines Tages sagte uns der ein Offizier in gutem Englisch, dass wir ‘ab sofort’ gemäß der Genfer Konvention behandelt würden. Und tatsächlich verbesserten sich die Bedingungen.“
Besatzung Jaffa’s
„Viele werden ohne Grund verhaftet“, schrieb der Gouverneur von Jaffa an Ben Gurion.
Zwei Monate nach der Besatzung Jaffas fand das Rote Kreuz haufenweise Leichen. Jaffas Militärgouverneur gab zu, die IDF hatte sie erschossen, weil sie sich nicht an Anweisungen gehalten hatten. Alle, die während der Ausgangssperre zwischen 17 und 6 Uhr angetroffen werden, wurden erschossen.
Es wurden, von der israelischen Armee geplante und von einzelnen Personen sporadische Plünderungen von Grundnahrungsmitteln unter dem Vorwand der Suche nach Waffen ausgeführt. Diese Plünderungen gingen mit starker Prügel und Folter einher. Kirchen und Moscheen wurden entweiht. Schulen und Klöster verwüstet. Häuser wurden abgerissen und Läden in Brand gesteckt.
Es wurden spezielle Räumlichkeiten gefunden, in denen arabische Bewohner:innen misshandelt und gefoltert wurden. Es wurden zahlreiche Vergewaltigungen an jungen Frauen und Kindern durch zahlreiche Quellen wie die UN, das Rote Kreuz, Israels Militärarchiv, Gurions Tagebuch, Täter- und Opferaussagen bestätigt.
Einer der schlimmsten Fälle war die Entführung eines 12-jährigen Mädchens am Nordrand des heutigen Gazas durch 22 IDF Soldaten. Sie wurde als Sexsklavin gehalten, kollektiv vergewaltigt und letztendlich umgebracht. Die höchste Strafe bekam der Soldat, der sie umgebrachte, mit zwei Jahren Haft.
Nach der Säuberung
Nach der Gründung des „Ausschuss für arabische Angelegenheiten“ im August 1948 lockerten sich die Besatzungsregime etwas.
Dieser Ausschuss bestand unter anderem auch aus Mitgliedern der Beratungsgruppe, die an der Planung und Umsetzung der Säuberung teilgenommen hatten.
Die erste Aufgabe dieses Ausschusses war der Umgang mit dem wachsendem internationalen Druck, die Flüchtlinge wieder zurückzulassen. Statt diesem Druck nachzugeben und die Rückkehr, die in UN Resolution 194 gefordert wurde, zuzulassen, wurde sich für die Umsiedlung der vertriebenen Palästinenser:innen in Nachbarländer eingesetzt.
Das zurückgelassene Vermögen und Land der Vertriebenen wurde unter israelische Verwaltung gestellt und nicht direkt übernommen, da so die Resolution 194 umgangen werden sollte. Später wurde es dann unter dem Vorwand „keiner hat Anspruch darauf erhoben“ an öffentliche oder private jüdische Gruppen verkauft. Da das Land unter israelischer staatlichen Verwaltung stand und somit Staatsland war, durfte es nicht an ‚Araber‘ verkauft werden.
Januar 1949 besiedelten jüdische Kolonisten die geräumten Ortschaften Kuwaykat, Ras al-Naqara, Birwa, SafSaf, Sa’Sa und Lajjun, und bauten neue Städte über die alten. Sie waren getrieben von dem Wunsch, Geschichte und Kultur der Palästinenser:innen auszulöschen und durch eine vorfabrizierte andere Version zu ersetzen.
Zementierung der Besatzung
Die circa 150 000 zurückgeblieben Palästinenser:innen wurden zu ‚israelischen Arabern‘ erklärt und unter Militärverwaltung, die auf der britischen Mandatsverwaltung von 1945 basierte, gestellt.
Die Bestimmungen, welche vergleichbar mit Nürnberger Rassengesetze sind, schafften Meinungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, Organisationsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz ab.
Landraub 1950–2000
Das Land der Vertriebenen wurde zum Bau jüdischer Siedlungen oder zur Aufforstung freigegeben. Den Israelis wurde kommuniziert, das würde „neu Siedlungen schaffen“ und „die Wüste blühen lassen“. Die Aufforstung wurde als ökologische Mission dargestellt. Die übrigen 1,3 Millionen Palästinenser:innen lebten auf 2% der Fläche Israels und hatten 1% zur Landwirtschaft. Auf dieser Fläche durfte nicht gebaut werden.
Der Memorizid
„Über 700 000 Oliven- und Orangenbäume wurden von den Israelis zerstört. Das ist ein Akt schieren Vandalismus durch einen Staat, der behauptet, Umweltschutz zu betreiben. Wie abscheulich und beschämend.“, so Ronnie Kasrils, Wasser- und Forstminister Südafrikas, in einer Rede in London, 30. November 2002.
Mit der Begründung, dass „im Laufe der Fremdherrschaft über Eretz Israel […] die ursprünglichen hebräischen Namen ausgelöscht, verfälscht [wurden] und […] zuweil verfremdete Formen an[nahmen]“, wurde auf den zerstören Orten neue errichtet und umbenannt. Die Existenz zerstörter Orte wird durch Aufforstung geleugnet und der israelischen Bevölkerung wird erzählt, dass sich unter den Wäldern nur Ödland befindet. Es wurden Nationalparks und Erholungsgebiete über den zerstören Dörfern gebaut und auf Infotafeln und der Website des JNF bis heute die Nakba geleugnet. Das Einzige, was an die Dörfer erinnert, sind übrig gebliebene Obst- und Olivenbäume und Feigenkakteen, von denen viele Israelis denken, dass es wilde Pflanzen wären.
Der JNF wird in Israel als ökologische Institution gesehen. Sie pflanzen einheimische Pflanzen, pflegen die Wälder, haben Palästina von einem Ödland zu einem Wald gemacht und sorgen für Erholungsgebiete und Nationalparks. Die tatsächliche Bestrebung dahinter war und ist es Land, Ortsnamen und die Geschichte Palästinas zu entarabisieren und die Erinnerungen an die Nakba auszulöschen.
Nur 10% der Waldfläche Israels stand schon von 1948 und nur 11% sind einheimische Pflanzen. Die restlichen Bäume sind hauptsächlich Nadelbäume wie Kiefern und Zypressen, da sie sich gut an fremde Umgebungen anpassen und europäisch aussehen.
Auf diese Weise wurden unter anderem der Wald von Birya auf einer Fläche von 20 000 Dunam und mindestens auf den sechs zerstörten Dörfern Dishon, Alma, Qaddita, Amqa, Ayn al-Zaytun und Biriyya errichtet.
Auch der Ramat Menashe Park wurde auf den Ruinen zerstörter Dörfer errichtet. Die Namen der Dorfruinen – Lajjun, Mansi, Kafrayn, Butaymat, Hubeiza, Daliyat al-Rawha, Sabbarin, Burayka, Sindiyana und Umm al-Zinat – werden nicht erwähnt. Stattdessen wird in Führungen, auf Internetseiten und Infotafeln davon gesprochen, dass die Straßen von den Briten gebaut wurden und die übrig gebliebenen Reste der Obstgärten natürlich und nicht menschengemacht wären. Die Orte der Rundführung durch den Park tragen zwar die Namen der zerstörten Dörfer auf Arabisch, die Erinnerungen an die Dörfer wurden allerdings vollständig getilgt.
Auf Infotafeln, Internetseite und Reisebroschüren des JNF gehen „Umweltbewusstsein“, zionistische Ideologie und Auslöschung der Vergangenheit Hand in Hand.
Vollendung der Nakba – Genozid in Gaza und der Westbank
Die Nakba hat nie geendet. Bis heute wird sie fortgesetzt.
Seit zwei Jahren verfolgen wir in Videos, Livestreams, Bildern und Aussagen von Opfern und Täter:innen. Zwei Jahre, in denen mindestens 66 000 Palästinenser:innen getötet wurden. Davon 20 000 Kinder, 12 500 Frauen, 252 Journalist:innen und 1 670 medizinische Hilfskräfte. Es wird von 170 000 verletzten und 500 verhungerten Menschen ausgegangen. Zusätzlich muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da sich sehr wahrscheinlich noch tausende unidentifizierte Leichen unter den 50 Millionen Tonnen Trümmern von zerstörten Gebäuden liegen. Es sind über 70 Prozent aller Gebäude in Gaza zerstört oder beschädigt.
Die IDF spielt Aufzeichnungen von weinenden Kindern und Frauen ab, um Palästinenser:innen nach draußen zu locken und zu bombardieren. Es werden Quadrocopter eingesetzt, um auf Kinder und schwangere Frauen zu schießen. Gezielte ‚Double-Taps‘ sorgen für Panik und Angst davor, Verletzten zu helfen.
Israelische Politiker:innen heizen die Brutalität der IDF noch weiter an. Immer wieder halten sie Reden, in denen Palästinenser:innen als “Tiere”, das “Krebsgeschwür des Staates” oder “Kakerlaken” bezeichnet werden. Die genozidalen Absichten Israels werden immer wieder vor laufender Kamera von Politiker:innen durch das gesamte Politikspektrum Israels wiederholt.
IDF Soldat:innen vergewaltigen oder lassen, beispielsweise durch Hunde, vergewaltigen. Sie filmen sich dabei, wie sie Gebäude mit Farbstoff als „Gender Reveal“ sprengen, wie sie Kindern in den Rücken schießen und sich an zurückgelassener Frauenunterwäsche belustigen.
Es gibt Interviews mit Soldat:innen der “moralischsten Armee der Welt”, in denen sie ihren Einsatz mit Spielen wie Call of Duty vergleichen oder direkt Spiele daraus machen. Es gibt Berichte davon, wie Soldat:innen das Kinderspiel “Wer hat Angst vorm weißen Hai” an Hilfsstationen spielen: Wer sich bewegt wird erschossen.
All das im Namen des Kampfes gegen die Hamas. Einer Widerstandsorganisation, die von Israel finanziert und aufgebaut wurde. Einer Widerstandsorganisation, die am 7. Oktober 2023 illegitimen Widerstand geleistet hat, indem sie Zivilisten angegriffen hat. Eine Widerstandsorganisation, die schon ein paar Wochen danach nicht mehr handlungsfähig war und keine Gefahr für Israel ist.
Trotz all den Berichten, Videos, gerichtlichen Beschlüsse und handfesten Beweise werden uns immer wieder die gleichen Argumente entgegengebracht.
„Aber die Hamas hat angefangen.“
„Wir müssen nur Netanjahu durch eine andere Führungskraft austauschen.“
„Die Zwei-Staaten-Lösung bringt Frieden.“
Weder hat die Hamas diesen Konflikt begonnen, noch kann er trotz Weiterbestehen des ethnonationalistischen Arpartheitsstaates Israel beendet werden. Es braucht eine endgültige Lösung, welche kein weiteres Leid, keine Vertreibung und keinen Tod für beide Seiten bedeutet.
Ein-Staaten-Lösung
Unter der Ein-Staaten-Lösung verstehen wir einen binationalen und demokratisch säkularen Staat Palästina.
Also das friedliche Zusammenleben aller Menschen des Staatsgebietes Israel und die besetzten Gebiete Palästinas als gleichberechtigte Individuen – wie es vor der ethnischen Säuberung in vielen Dörfern gewesen ist – unter einer neuen Regierung als Bürger:innen eines neuen Staates Palästina.
Dieser Staat hat unter anderem die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Verbrechen der Nakba, des Arpartheitsstaates Israel und der Genozid an den Palästinenser:innen in Gaza und der Westbank aufgearbeitet werden und somit auch der Memorizid an dem Leid der Palästinenser:innen so weit wie möglich rückgängig gemacht wird, wobei die Benennung dieses Staates als Palästina einen ersten wichtigen Schritt darstellt.
Der neue Staat würde weder ein „jüdischer Staat“ noch ein „arabischer Staat“ sein. Die derzeitige rechtliche Hierarchie, also israelische Bürger:innen mit vollen Rechten und Palästinenser:innen unter Militärbesatzung ohne Bürgerrechte, würde aufgehoben. Sie löst das Problem der Besatzung und der Ungleichheit nicht durch Teilung, sondern durch vollständige Integration und Gleichberechtigung.
Das „Recht auf Rückkehr“ der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 und 1967 würde anerkannt und umgesetzt. Da es nur einen Staat gäbe, könnten die Flüchtlinge legal in das Gebiet zurückkehren, in dem heute Israel liegt, und würden dort Bürger des neuen gemeinsamen Staates.
Angesichts der über 700 000 israelischen Siedler:innen im Westjordanland ist eine sinnvolle Trennung in zwei Staaten faktisch unmöglich geworden und würde in weitere Konflikte münden.
Der Staat wäre religiös neutral. Die Gesetze würden nicht auf jüdischem oder islamischem Recht basieren, sondern auf einer demokratischen Verfassung, die die Menschenrechte für alle garantiert.
Durch einen neuen Staat würde der ethnische Nationalismus als Wurzel des Konflikts angegangen. Ein säkularer, ziviler Staat biete eine zeitgemäßere, inklusivere Form des Zusammenlebens.
Quellen und weiterführendes Material
Ilan Pappe – Die ethnische Säuberung Palästinas (4. Auflage 2024)
https://www.theguardian.com/world/ng-interactive/2025/aug/21/revealed-israeli-militarys-own-data-indicates-civilian-death-rate-of-83-in-gaza-war
https://www.youtube.com/watch?v=OCGtHMxNrXY
https://www.eslam.de
https://www.un.org/unispal/document/auto-insert-211083/
https://gazacasualties.org/
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