Palästina – Standpunkt zur Lage und dem Beschluss des Parteivorstands am 8. Mai 2025

Lage in Palästina

Die humanitäre und soziale Lage in Palästina, insbesondere im Gazastreifen, ist im Mai 2025 weiterhin katastrophal. Internationale Hilfsorganisationen wie UNICEF, Ärzte ohne Grenzen, Oxfam, die Welthungerhilfe und Islamic Relief berichten übereinstimmend von einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung.

Ernährung und Versorgung

Laut Oxfam haben in den letzten zweieinhalb Monaten lediglich zwölf Lastwagen mit Nahrungsmitteln und Wasser den Norden Gazas erreicht. Das israelische Militär behindert systematisch Hilfslieferungen, wodurch Tausende Menschen von der Versorgung abgeschnitten sind.
[Oxfam]

Die Welthungerhilfe berichtet, dass Ende 2024 etwa 1,84 Millionen Menschen im Gazastreifen Hunger litten, wobei 133.000 Menschen unmittelbar vom Hungertod bedroht waren. [Welthungerhilfe]

Islamic Relief prognostiziert zwischen September 2024 und August 2025 etwa 60.000 Fälle von akuter Unterernährung bei Kindern im Alter von 6 bis 59 Monaten, darunter 12.000 schwere Fälle. [Islamic Relief]

Gesundheitsversorgung

Über 90 % der Bevölkerung wurden vertrieben, viele mehrfach [Doctors Without Borders]. Von den einst 36 Krankenhäusern sind nur noch 17 teilweise funktionsfähig und völlig überlastet. Es mangelt an Strom, Wasser, Medikamenten und medizinischem Personal. Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass Patient*innen abgewiesen werden müssen und medizinische Einrichtungen wiederholt Ziel von Angriffen wurden. [Ärtzte ohne Grenzen]

Die psychische Belastung der Bevölkerung ist enorm. Kinder zeigen schwere Traumatisierungssymptome wie Rückzug, Panikattacken und Sprachlosigkeit. Psycholog*innen berichten, dass es im Gazastreifen keinen sicheren Ort gibt, was eine Verarbeitung der Erlebnisse nahezu unmöglich macht. [Ärtzte ohne Grenzen]

Wohnsituation und Infrastruktur

Fast alle Häuser, Schulen und Krankenhäuser liegen in Trümmern, ganze Stadtviertel wurden ausgelöscht. Die Straßen sind mit 50 Millionen Tonnen Trümmerschutt bedeckt.

Die physische Infrastruktur des Gazastreifens liegt in Trümmern. Nach UN-Berichten sind 69 Prozent aller Gebäude in Gaza entweder zerstört oder beschädigt, darunter 94 Prozent der Gesundheitseinrichtungen, 92 Prozent der Wohnhäuser, 88 Prozent der Schulen und 85 Prozent der Wasser- und Abwasserversorgung. 68 Prozent aller Straßen sind beschädigt. Gebetsstätten sind in ähnlicher Weise betroffen: 79 Prozent der Moscheen und fast alle Kirchen sind beschädigt oder vollständig dem Erdboden gleichgemacht.

Hunderttausende von Familien sind immer noch auf der Flucht und leben in Zelten, da sie kein Zuhause mehr haben, in das sie zurückkehren können – auch Mitarbeiter*innen von Islamic Relief sind unter den vielen, die ihre Häuser zerstört vorfanden. [Islamic Relief]

Standpunkt

Wir verurteilen den anhaltenden Völkermord in Gaza. Seit Monaten beobachten wir, wie die israelische Armee (IDF) mit massiver Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung vorgeht – mit Bombardierungen, gezielten Tötungen und systematischer Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur. Was dort geschieht, ist kein “Krieg”, sondern ein gezielter Vernichtungskrieg gegen ein entrechtetes Volk.

Der Staat Israel zeigt sich dabei nicht als “einzige Demokratie im Nahen Osten”, sondern als ein ethnonationalistisches Apartheidssystem. Palästinenser*innen werden entrechtet, unterdrückt und ihrer Lebensgrundlagen beraubt – sei es in Gaza, im Westjordanland oder in Israel selbst. Menschenrechte und Gleichheit vor dem Gesetz gelten hier nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe.

Die Handlungen der IDF sind keine legitime Selbstverteidigung, sondern Ausdruck eines kolonialen Projekts. Gezielt zivile Strukturen zu bombardieren, Hunger als Waffe einzusetzen und Millionen Menschen in eine humanitäre Katastrophe zu treiben – das ist nichts anderes als Staatsterrorismus.

Wir lassen uns nicht auf das verkürzte Narrativ ein, das alles habe “am 7. Oktober angefangen”. Der Terrorangriff der Hamas war schrecklich – aber er ist das Ergebnis jahrzehntelanger Besatzung, Vertreibung und systematischer Gewalt gegen die palästinensische Bevölkerung. Wer nur auf diesen Tag blickt, löscht den historischen Kontext aus – und übernimmt die Perspektive der Unterdrücker.

Unsere Kritik richtet sich nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern gegen einen Staat, der im Namen des Judentums Kriegsverbrechen begeht. Antizionismus – also die Ablehnung eines kolonialen, ethnonationalistischen Staates – ist kein Antisemitismus. Im Gegenteil: Die pauschale Gleichsetzung von Israel mit „den Jüdinnen und Juden weltweit“ ist selbst antisemitisch, weil sie jüdische Menschen kollektiv für das Handeln eines Staates verantwortlich macht, den viele von ihnen selbst ablehnen.

Jüdischer Widerstand gegen Zionismus hat eine lange Tradition – von antizionistischen Rabbinergruppen bis hin zu linken jüdischen Organisationen, die heute Seite an Seite mit Palästinenser*innen kämpfen. Wenn der legitime Widerstand gegen Unterdrückung als „antisemitisch“ diffamiert wird, wird Antisemitismus als politisches Kampfmittel missbraucht – und echter Antisemitismus wird verharmlost.

Wir stehen klar gegen jede Form von Rassismus – auch gegen Antisemitismus. Solidarität mit Palästina allerdings darf nicht kriminalisiert werden. Kritik an einem Staat, der internationales Recht bricht, ist kein Hassverbrechen, sondern eine Notwendigkeit.

Aus all dem folgt für uns: Der Zionismus ist mit unseren linken Prinzipien unvereinbar. Wer Gleichheit, Antirassismus und soziale Gerechtigkeit ernst meint, kann Zionismus in keiner linken Partei oder Jugendorganisation dulden. Unsere Solidarität gilt den Unterdrückten – nicht den Unterdrückern.

Freiheit für Palästina – gegen Besatzung, Apartheid und Kolonialismus!

Beschluss des Parteivorstands am 8. Mai 2025

Aufrufe zur gewaltvollen Auslöschung Israels sind zu kritisieren. Allerdings wird in diesem Beschluss legitime Kritik mit antisemitischer Rhetorik vermischt. Dieser Beschluss öffnet die Tür für die bestehenden zionistischen Bewegung innerhalb der Partei berechtigte Kritik an der israelischen Regierungspolitik, insbesondere hinsichtlich der Besatzungspolitik und Menschenrechtsverletzungen, vorschnell als antisemitisch zu diskreditieren. Dies führt dazu, dass notwendige Debatten unterdrückt werden und kritische Stimmen marginalisiert werden. Es ist wichtig, zwischen Antisemitismus und fundierter Kritik an staatlichem Handeln zu unterscheiden, um eine offene und sachliche Diskussion zu ermöglichen. Zusätzlich ist eine Voraussetzung für diesen Diskurs die Benennung der Geschehnisse als Genozid.

Während das Existenzrecht Israels betont wird, fehlt eine gleichwertige Anerkennung des Rechts der Palästinenser*innen auf einen eigenen Staat. Eine ausgewogene Positionierung erfordert die klare Forderung der Anerkennung des palästinensischen Staates. Die Forderung nach der Anerkennung eines souveränen palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 wäre ein Schritt in diese Richtung, auch wenn eine Lösung mit einem emanzipatorischen einheitlichen Staat die bessere wäre.

Wir möchten hervorheben, dass wir der Meinung sind, dass keine Nationalstaaten ein Existenzrecht haben. Ausschließlich Menschen haben die Rechte an dem von ihnen gewählten Ort zu leben und das ohne Verfolgung, Leid, Vertreibung und Genozid erleben zu müssen.
Außerdem sind wir der Meinung, dass wir nicht in der Position sind für die Menschen vor Ort zu entscheiden, wie sie zusammen leben sollen. Damit diese Debatte vor Ort geführt werden kann und auch von internationalen Gerichten anerkannt wird, ist die völkerrechtlich anerkannte Lösung die Anerkennung Palästinas als Staat. Dies ist allerdings erst der Anfang der Lösung des Nahostkonflikts. Ob dieser Ansatz zu einer dauerhaften Zweistaatenlösung führt oder nicht liegt nicht in unserer Hand.
Dieser Ansatz ist nicht optimal, aber die schnellste Möglichkeit den Genozid zu stoppen und den Palästinenser*innen die Möglichkeit zu geben für ihre Rechte einzustehen.

Die Linke sollte ihre Solidarität nicht an Staaten, sondern an Menschenrechten und sozialen Bewegungen ausrichten. Eine unkritische Parteinahme für einen Staat, unabhängig von dessen Regierungspolitik, widerspricht den Prinzipien einer emanzipatorischen und menschenrechtsorientierten Politik. Stattdessen sollte die Partei diejenigen unterstützen, die für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung eintreten, unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit. Das ist in dieser Situation nicht der Staat Israel.

Die Berufung auf die “Staatsräson” Deutschlands in Bezug auf Israel führt dazu, dass politische Entscheidungen weniger durch demokratische Debatten und mehr durch historische Verpflichtungen bestimmt werden. Während die historische Verantwortung Deutschlands unbestreitbar ist, sollte sie nicht dazu führen, dass aktuelle politische Realitäten und Menschenrechtsfragen aus dem Blick geraten. Die Linke sollte sich für eine Politik einsetzen, die auf universellen Menschenrechten basiert und nicht durch Staatsräson eingeschränkt wird. Zumal die Grundlegende historische Verantwortung, die Deutschland aus der deutschen Vergangenheit ziehen sollte, “Nie wieder Völkermord” ist.

Die Linke sollte ihre Politik konsequent antiimperialistisch gestalten. Das bedeutet, Machtverhältnisse zu analysieren und sich gegen Unterdrückung, Besatzung und koloniale Strukturen zu stellen. Im Kontext des Nahostkonflikts bedeutet dies, sowohl die israelische Besatzungspolitik als auch den Einfluss externer Mächte kritisch zu hinterfragen und sich solidarisch mit denjenigen zu zeigen, die für Selbstbestimmung und Gerechtigkeit kämpfen.

Forderungen an die Linke und die linksjugend [’solid]

1. Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit

Forderung: Offizielle Forderung nach der Anerkennung eines souveränen palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Begründung: Ohne Gleichstellung beider Völker im Völkerrecht ist keine gerechte Lösung möglich.

2. Klare Benennung der Verbrechen als Genozid

Forderung: Bezeichnung der israelischen Kriegsführung als Genozid, basierend auf den Kriterien der UN-Völkermordkonvention.

Begründung: Das systematische Töten, Vertreiben und Aushungern erfüllt den völkerrechtlichen Genozidbegriff.

3. Distanzierung von der deutschen “Staatsräson”

Forderung: Ablehnung der unkritischen Staatsräson-Politik Deutschlands gegenüber Israel.

Begründung: Politisches Handeln darf nicht durch historische Schuld instrumentalisiert werden, sondern muss sich an Menschenrechten orientieren – für alle.

4. Sofortige Auflösung des BAK Shalom

Forderung: Die Linksjugend [’solid] soll die sofortige Auflösung des BAK Shalom beschließen.

Begründung: Der BAK Shalom steht für eine unkritische Solidarität mit dem Staat Israel, behindert innerverbandliche Debatten und marginalisiert palästinasolidarische Positionen.

5. Distanzierung vom Zionismus

Forderung: Klare Distanzierung von Zionismus als kolonialer und rassistischer Ideologie, inklusive:

  • Distanzierung von zionistischen Stickern, Inhalten und Kampagnen des BAK Shalom.
  • Distanzierung von zionistischen Mitglieder*innen des BAK Shalom innerhalb der Linksjugend.
  • Ausschluss von offen zionistischen Mitglieder*innen, die systematisch palästinasolidarische Stimmen diskreditieren oder unterdrücken.

Begründung: Zionismus als Staatsideologie widerspricht linken Prinzipien von Gleichheit und Antirassismus.

6. Kein Platz für einseitige Schuldzuweisungen

Forderung: Die Ereignisse des 7. Oktober dürfen nicht als alleinige Ursache des Konflikts dargestellt werden.

Begründung: Der historische Kontext jahrzehntelanger Besatzung, Apartheid und Gewalt muss in der Analyse zentral bleiben.

7. Schutz legitimer Israelkritik vor Antisemitismusvorwurf

Forderung: Schutz palästinasolidarischer Positionen durch die klare Trennung zwischen legitimer Kritik am israelischen Staat und tatsächlichem Antisemitismus.

Begründung: Die pauschale Diffamierung als antisemitisch dient der Unterdrückung politischer Kritik.

8. Menschenrechtsorientierte Solidarität – nicht staatliche Parteinahme

Forderung: Solidarität muss sich an Menschen und Bewegungen orientieren, nicht an Staaten – auch nicht am Staat Israel.

Begründung: Emanzipatorische Politik muss an universellen Werten ausgerichtet sein, nicht an nationalen Interessen.

9. Konsequente antiimperialistische Nahostpolitik

Forderung: Es muss sich für eine konsequente antiimperialistische Analyse der Lage eingesetzt werden – inklusive Kritik am Einfluss westlicher Staaten (z. B. USA, EU) und deren Waffenexporte.

Begründung: Linke Außenpolitik muss sich gegen Besatzung, Unterdrückung und Kolonialismus stellen.

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