Programm der Linksjugend [‘solid]

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1. Wer wir sind

Wir wollen nicht weniger als die Welt verändern!

280 Mio. Menschen sind unterernährt, die bestehende Landwirtschaft könnte jedoch die doppelte Weltbevölkerung ernähren. Von diesen Beispielen gibt es viele – für uns ist klar: ein derart blutiges Wirtschaftssystem gehört bekämpft. Wir wollen eine kooperative Wirtschaft, in einer von Mitbestimmung und Freiheit geprägten Gesellschaft, nicht in ferner Zukunft, sondern so schnell wie möglich! Die Überwindung kapitalistischer Produktions- und Herrschaftsverhältnisse ist dafür notwendig. Wir wissen, dass es immer Probleme geben wird, wir glauben nicht ans Paradies – wir streiten für eine Welt, in der alle Zugang zu Medizin, Nahrung und Bildung haben – und wissen, dass dies möglich ist! Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg! Ein menschenwürdiges Leben für uns alle ist es wert erstritten zu werden. Als Sozialist*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen kämpfen wir für eine libertäre, klassenlose Gesellschaft jenseits von Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat.

Vielfalt statt Selbstbeschäftigung!

Eine Linke, in der sich verschiedene Ansätze unversöhnlich gegenüberstehen, hat keine Zukunft. Die berühmten zwei Gräben Reform oder Revolution bilden für uns keinen Widerspruch. Wir streiten für einen grundsätzlichen Systemwechsel – aber wir setzen auch mit radikalen Alternativen im Hier und Jetzt in der konkreten Lebenswelt junger Menschen an. Dazu gehört auch eine lebendige Protestkultur, die gesellschaftliche Probleme aufgreift und über diese aufklärt sowie informiert. Diese soll durch konkrete politische Aktionen Mutmachen und bloße Betroffenheit in eine offensive und bewusste Formulierung von Alternativen umwandeln.

Wir wollen die Bühne des Parlamentarismus für den Kampf um eine gerechtere Welt nutzen, aber uns nicht der Illusion hingeben, dass dort der zentrale Raum für reale Veränderungen sei. Gesellschaftliche Veränderungen finden schwerpunktmäßig außerhalb der Parlamente statt.

Das gilt sowohl bei der Durchsetzung von Kapitalinteressen als auch für soziale Errungenschaften. Nur die außerparlamentarische Bewegung kann reale Veränderungen herbeiführen. Daher müssen Parlamentarier*innen immer mit sozialer Bewegung verbunden bzw. in ihr verankert sein, um auf der parlamentarischen Bühne auf Veränderungen hinzuwirken. Wir wollen kritisch-solidarisch mit der Partei DIE LINKE zusammenarbeiten. Gleichzeitig kritisieren und bekämpfen wir Anpassungstendenzen, vor denen niemand gefeit ist.

Als parteinaher Jugendverband sind wir der Jugendverband der Partei DIE LINKE und wirken als Interessenvertretung in die Partei. Kritik gegenüber der Partei DIE LINKE ist für uns genauso selbstverständlich, wie eine solidarische Zusammenarbeit. Wir arbeiten für eine vernetzte, breite Linke, die die Kraft besitzt die Gesellschaft tatsächlich zu verändern.

Wir sind Teil eines politischen Blocks der Linken – einer Bewegung für Demokratie und Sozialismus. Als Jugendverband vertreten wir die Interessen junger Menschen, die diese Ideen sympathisch finden.

Unser Jugendverband bildet hierfür einen eigenständigen Raum des Austauschs, der Aktion, der Debatte, des Streits und des Lebensgefühls. Gemeinsam kämpfen wir gegen Kapitalismus, gegen Patriarchat, Rassismus, Faschismus und Antisemitismus und für einen Ausbau demokratischer und sozialer Rechte.

Organisiert linke Basis!

Unser Jugendverband bildet eine Plattform, die als Teil von Bewegungen in die Gesellschaft wirken will und als Jugendverband in die Partei DIE LINKE wirken wird. Als Teil eines europäischen Netzwerkes aus unterschiedlichen Verbänden wollen wir auch eine internationale Ausstrahlungskraft entwickeln. Als offene und plurale linke Organisation suchen wir die Zusammenarbeit mit anderen Bündnispartner*innen und arbeiten nach basisdemokratischen Prinzipien. Als Jugendverband der sich vom klassischen Parteijugendmodell verabschiedet hat, sind wir keine Kaderschmiede und wollen auch keine sein. Daher ist es unser Ansatz, auf allen Ebenen Hierarchien jedweder Art abzubauen. Wir wollen gemeinsam stark werden und übernehmen Verantwortung füreinander.

Politische Organisierung die zum „Durchlauferhitzer“ wird oder nur als „Sprungbrett“ dient, betrachten wir als schädlich. Linke Organisierung ist für uns kein Hobby oder eine jugendliche Phase, sondern notwendiger Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse. Dabei setzen wir auf massenhaften Widerstand, die Selbstorganisation in Betrieben, Schulen und Hochschulen und die bewusste Aktion der organisierten Mehrheit der Bevölkerung zur Umwälzung der Verhältnisse. Die Banken und Konzerne müssen in öffentliches Eigentum überführt werden und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung fortgeführt werden. Unser Ziel ist die Entwicklung einer demokratisch geplanten Wirtschaft, in der nicht der Profit, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Natur im Zentrum stehen.

Unsere wichtigste Ebene ist die der Basisgruppen. Alle überregionalen Gremien haben die Aufgabe diesen Zellen linken Widerstandes und linker alternativer Gestaltung, Material, Infrastruktur und politische Bildung zugänglich zu machen. In unseren Gruppen können wir stärker werden, durch neue Gruppen werden wir stark: Вildet Banden! heißt unser Konzept. Wir versuchen mit kulturell und politisch fortschrittlichen Konzepten eine Offensive von Links. Unser Kampf gilt dem Kapitalismus, für ein ganz anderes Ganzes – für eine Gesellschaft, in der die Menschen ihr Leben endlich selbstbestimmt gestalten können.

So radikal wie die Wirklichkeit – leben wir den Widerstand!

2. Woher wir kommen

Wir sind geprägt vom Aufbruch der globalisierungskritischen Bewegung nach den erfolgreichen Protesten gegen die WTO-Konferenz in Seattle, wurden politisiert durch die brutale Polizeirepression in Genua und den Tod von Carlo Guliani, die Schüler*innendemonstrationen gegen den Irak-Krieg, die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV oder antifaschistische Aktionen vor Ort. Wir haben in unseren Dörfern und Städten für Jugendzentren gestritten und Naziaufmärsche blockiert. Wir kommen aus den Studierendenbewegungen gegen Bildungskürzungen und Studiengebühren, aus der Gewerkschaftsbewegung und haben uns aktiv am Widerstand gegen die G8 Gipfel beteiligt. Wir haben uns mit dem revolutionären Prozess in Lateinamerika auseinander gesetzt und sehen in ihm eine Alternative zum Abbau sozialer Errungenschaften, neoliberalen Privatisierungsorgien und Militarismus in Europa.

Mit der Formierung der neuen LINKEN in Deutschland schlossen wir uns als junge Menschen in und bei der neuen Partei zusammen, um mit Linksjugend [‘solid] einen gemeinsamen breiten sozialistischen Jugendverband zu gründen. Bereits bestehende Jugendzusammenhänge bei PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) und WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) gingen darin auf und viele neue Mitglieder schlossen sich an. Wir stellen uns in die Tradition der internationalen Arbeiterbewegung, des antifaschistischen Widerstands, des Pariser Mai sowie des Prager Frühlings von 1968, der Studierendenbewegung in der BRD, der alten und neuen Frauenbewegung, der Friedensbewegungen und der linken ökologischen Bewegungen.

Wir beziehen uns positiv auf die emanzipatorischen Traditionen des Kommunismus, des Sozialismus, der Sozialdemokratie und der libertären Bewegungen.

3. Kritik an der Weltordnung

Unser Leben ist geprägt von unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen, ungleichen und immer weiter eingeschränkten Bildungschancen, repressiven Überwachungsmaßnahmen, alltäglichem Rassismus, Ausbrüchen faschistischer Gewalt, einschränkenden und unterdrückenden Geschlechterverhältnissen, der Einschränkung von Grundrechten und der Zerstörung der Umwelt.

Im globalen Maßstab bestimmen soziale Spaltungen, Kriege, Armut, Hunger und Unterdrückung noch deutlicher den Alltag vieler Menschen. Obwohl wir von den Zuständen in Schule, Betrieb und Hochschule unmittelbar betroffen sind, haben wir keine Möglichkeit, selbst über sie zu entscheiden. Im Namen der Globalisierung erobern kapitalistische Verwertungsinteressen zunehmend das gesellschaftliche Leben. Die Welt wird zur Ware. Soziale Sicherungssysteme, Bildung und öffentliche Dienste werden privatisiert. Dadurch wird demokratische und soziale Teilhabe unmöglich.

Diese Entwicklung ist nicht naturgegeben, sondern Folge gesellschaftlicher Strukturen, in denen das Streben nach Profit mehr zählt als die Bedürfnisse der Menschen. Die Gesellschaft ist von Menschen gemacht und kann auch von ihnen verändert werden. Deshalb meckern wir nicht nur, sondern wollen die Welt verändern, im großen Ganzen sowie in alltäglichen Auseinandersetzungen.

Die Überwindung des Kapitalismus steht nicht im Widerspruch zur Verbesserung konkreter Lebenssituationen – für uns gehören diese Kämpfe zusammen.

4. Konkrete Themen

4.1 Kapitalismus & Globalisierung

Dass die brennenden Probleme der Zeit, die von Umweltzerstörung über Armut bis hin zu Unterdrückung reichen, nicht gelöst werden können liegt vor allem daran, dass wir in einem Wirtschaftssystem leben, welches diese selbst hervorruft. Wenn fast alle Formen des Arbeitens und Wirtschaftens darauf ausgerichtet sind, aus dem eingesetzten Kapital mehr Kapital zu machen – ist dies Kapitalismus. Ein Wirtschaftssystem welches nur ein Ziel kennt – Profitmaximierung und zwar um seiner selbst Willen.

Dabei breitet es sich stetig aus, auf neue Länder, neue Bereiche und bis in den letzten Winkel menschlichen Lebens. Es sind Systeme, Prinzipien und Zwänge die unser aller Leben bestimmen. Wer kein Kapital hat, ist gezwungen seine Arbeitskraft zu verkaufen um zu überleben, muss sich selbst zu Kapital machen und wird somit zur Ware. Die Arbeit aller Menschen erwirtschaftet das, was nur wenige ihr Eigentum nennen können. Nur Kapitalbesitzer*innen, die Arbeitskraft kaufen, können sich den erarbeiteten Reichtum aneignen. Dabei folgen alle den blinden Gesetzen der Konkurrenz, des Marktes und der Verwertung. Tun sie es nicht gehen sie unter, egal ob Lohnarbeiter*in oder Unternehmer*in. Die Zerstörungskraft die die Jagd nach dem Geld mit sich bringt kennt keine Grenzen. Profitstreben führt zu Armut und Zerstörung von Mensch und Natur, weil auf ihre Kosten der Profit gemacht wird.

Die Auswirkungen des allgegenwärtigen Konkurrenzkampfs werden in der „westlichen Welt“ durch Gesetzte und Sozialsysteme teilweise abgefedert. In den ärmeren Ländern der Welt ist dies meist nicht möglich, so trifft diese das Profitstreben der internationalen Konzerne besonders hart. Die schnellen Transport- und Kommunikationswege machen die Ware Arbeit weltweit vergleichbar und führen so zu internationalen Produktionsketten. Es wird immer da produziert, wo die Kostenbilanz am günstigsten ausfällt. Internationale Abhängigkeiten, ökonomische Erpressbarkeit der Staaten und der Einsatz von Militär zur Sicherung globaler Interessen sind die Folge. Flüchtlingsbewegungen, Hunger und Elend sind Normalität im globalisierten Kapitalismus, dessen Akteure gleichzeitig kein Interesse daran haben den Nord-Süd Konflikt grundsätzlich zu verändern – Armut und Schulden sind Quellen von Reichtum für andere – ein mörderisches Verhältnis was es zu bekämpfen gilt.

Das Privateigentum an Produktionsmitteln gilt es abzuschaffen – die Verfügungsgewalt über selbige muss eine gesellschaftliche sein. Die Überwindung des Kapitalismus, hin zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft, welche versucht die Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen zu befriedigen und durch alle Menschen organisiert und reguliert wird, wäre ein Befreiungsschlag, der es Gesellschaften endlich erlaubt frei zu denken und zu handeln. Niemand müsste hungern, an heilbaren Krankheiten sterben oder den ganzen Tag arbeiten, technisch ist schon vieles möglich – wir müssen dafür kämpfen, dass es auch Wirklichkeit wird!

4.2 Kein Fußbreit dem Faschismus – Rassismus entwurzeln!

In den nächsten Jahren stehen wir vor ernsten Herausforderungen beim Kampf gegen den Neofaschismus und Nazismus. Rassistische, antisemitische und andere Ideologien der Ungleichheit haben bis weit in die Mitte der Gesellschaft Einzug gehalten. Mitglieder der faschistischen NPD sitzen in bundesrepublikanischen Landes- und Kommunalparlamenten. Die NPD und die mit ihr verbundenen Freien Kameradschaften haben mit ihrer Strategie der Erringung kultureller Hegemonie immer mehr Erfolge in Dörfern, Städten und ganzen Regionen.

Die Linksjugend [’solid] wendet sich entschieden gegen alle Formen der Diskriminierung “Anderer“, gegen jeden Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und gegen die zunehmende Islamophobie, die Feindschaft und Ressentiments gegen Muslime schürt. Wir sind einem konsequenten Antifaschismus verpflichtet, der nicht allein die „Stiefelnazis“ auf der Straße bekämpft, sondern auch die strukturellen Bedingungen für Unfreiheit, Ungleichheit und Ausbeutung. Es sind die bestehenden Macht- und Eigentumsverhältnisse, die faschistoiden Entwicklungen und Gefahren den Boden bereiten. Faschismus ist in der Logik des Kapitalismus selbst begründet, er radikalisiert die Entwertung des Menschen. Unsere antifaschistische Praxis ist dem Schwur von Buchenwald verpflichtet: die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Wir wehren uns gegen geschichtsrevisionistische Lügen, die die Einzigartigkeit des systematisch geplanten industriellen Massenmords an Juden und Jüdinnen aufheben wollen und die darauf aus sind, die Ermordung der Sinti und Roma, Behinderten, Homosexuellen, Widerstandskämpfer*innen und Zwangsarbeiter*innen zu relativieren. Auch aus der bürgerlichen Mitte heraus werden Opfer und Täter immer wieder gleichgesetzt, die Opfer der industriellen Massenvernichtung im gleichen Atemzug genannt mit den Opfern der Bombenangriffe der Alliierten. Die Sowjetunion wird durch eine Gleichsetzung mit dem Deutschen Reich herab gewürdigt und in ihrer Rolle als Befreierin vom NS-Faschismus auch vom bürgerlichen Mainstream zunehmend verleugnet.

Um die Bewertung der Geschichte werden wir als Verband in permanente Auseinandersetzungen treten müssen. Gerade in einer Zeit, in der die Zahl der Zeitzeugen immer kleiner wird, gilt es, die Erinnerung an den mörderischen NS-Faschismus und die Shoa wach zuhalten.

Die Linksjugend [’solid] ist konsequent antinationalistisch. Der nationale Sozialismus, den die Neofaschisten propagieren, konstruiert eine Volksgemeinschaft, die sich mit einem rassistisch organisierten Staat gegen “raffgierige Juden und Ausländer“ schützen soll. Ihr rassistisches Weltbild ergänzen sie mit einer kapitalismuskritischen Rhetorik. Die liberale Wettbewerbsideologie „jeder gegen jeden“ meint in der Nazi-Logik “das Recht des Stärkeren”. Eben diesen Konkurrenzgedanken heben Nazis lediglich auf eine internationale Ebene. Mit ihrem so genannten “Sozialismus” kämpfen nicht die Einzelnen ums Überleben, sondern die “Völker”. Ihr „nationaler Sozialismus“ bedeutet Krieg und Vernichtung und ist das exakte Gegenteil von Allem wofür dieses Wort steht.

Antifaschistische Arbeit bedeutet für uns, durch Aufklärung und direkte Aktionen die Ausbreitung der so genannten „national befreiten Zonen“ zu verhindern, Nazitreffpunkte und Naziläden zurück zu drängen. Wir beteiligen uns am Aufbau solidarischer wie widerstandsfähiger Milieus, wir begegnen den Nazis mit einer kulturellen Offensive von links. Darüber hinaus setzen wir uns für ein Verbot aller faschistischen Organisationen ein. Wir wissen allerdings, dass dies nur ein Schritt von vielen sein kann.

Die Linksjugend [’solid] ist konsequent antirassistisch. Wir widersetzen uns deshalb auch dem staatlichen Rassismus mit seiner diskriminierenden wie menschenfeindlichen Asyl- und Migrationspolitik. Der Rechtskonservatismus, der vor der “Asylantenflut“ oder der Kriminalität junger MigrantInnen warnt, stärkt und legitimiert den gesellschaftlichen Rassismus ebenso wie die Debatten um Einwanderungsgesetze, welche die Migration nach ökonomischen Nützlichkeitskriterien steuern wollen.

Der offenen wie versteckten Ausländerfeindlichkeit durch Teile der bürgerlichen Mitte wollen wir eine solidarische Gegenöffentlichkeit entgegensetzen. Wir fordern das Bleiberecht und die politische, rechtliche und soziale Gleichstellung für alle Flüchtende und Einwander*innen. Wir fordern gleiche politische und soziale Rechte für alle. Wer in Deutschland lebt, muss auch Zugang zu allen Rechten haben, einschließlich des allgemeinen Wahlrechts und der vollen Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Verurteilungen bei Straftaten dürfen nicht in Form von Abschiebung nach Verbüßung der Haftstrafe zu Doppelbestrafungen führen.

Wir kämpfen gegen die Illegalisierung von Flüchtlingen, gegen Abschiebungen, die rassistische Sondergesetzgebung und gegen die Sammellager. Dagegen fordern wir gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen, die Legalisierung aller illegalisierten Migrant*innen und die Wiederherstellung des Grundrechtes auf Asyl. Wir fordern die Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber*innen und Geduldete und der wohnsitzbeschränkenden Auflagen für anerkannte Flüchtlinge, die von Sozialleistungen abhängig sind.

Die herrschende Integrationspolitik ist vor dem Hintergrund des staatlichen und strukturellen Rassismus verlogen. Sie erpresst die hier lebenden Migrant*innen, die häufig einem intoleranten und ausländerfeindlichen Umfeld ausgesetzt sind, sie versteht Integration als einseitige Anpassung. Das Leitbild einer einheitlichen Kulturnation oder einer einheitlichen nationalen Identität ist nicht nur ein Mythos, er ist reaktionär. Statt einer Politik des Integrationsdiktats braucht es eine Politik, die Migrant*innen als Bereicherung aufnimmt und sie befähigt, in dieser Gesellschaft frei und selbst bestimmt zu leben.

4.3 Bildung

In keinem anderen westlichen Industrieland sind die Bildungschancen so sehr von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland. 78% der Kinder aus Akademikerfamilien, aber nur 12% der Kinder aus Arbeiterfamilien studieren an den Hochschulen. Jahr für Jahr fehlen 150000 Lehrstellen. Die Zahl derer, die die Schule ohne jeden Abschluss verlassen steigt stetig.

Aufgabe der Schule im Kapitalismus ist es nicht, die Persönlichkeit und Fähigkeiten der Einzelnen zu entfalten und sie zum solidarischen Leben in der Gesellschaft zu befähigen. Vielmehr hat sie die Aufgabe, durch Selektion und Disziplinierung verwertbare Arbeitskräfte für den kapitalistischen Arbeitsmarkt hervorzubringen. Dies wird auch besonders bei der Aussonderung von Menschen mit Handicaps in so genannte Förderschulen deutlich.

Wir streiten für ein anderes Bildungssystem. Unser Ziel ist die gleiche, solidarische, weltliche und unentgeltliche Bildung für alle.

Wir fordern einen Rechtsanspruch auf flächendeckende, kostenlose Krippen- und Kita-Plätze, die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, die Einführung einer Schule für alle, die Abschaffung der Noten, Privatschulen, Erkennung von Potentialen und der individueller Förderung, der weitestgehenden Integration von Menschen mit Behinderungen in die allgemeinen Schulen, die uneingeschränkte Lernmittelfreiheit, radikale Demokratisierung der Bildungsinstitutionen, die Einführung einer Ausbildungsumlage, ein Recht auf Ausbildung, die sofortige Abschaffung und Nichteinführung von Studiengebühren und -beiträgen. Wir sind für beitragsfreie Masterstudiengänge für alle und die Stärkung kritischer Wissenschaften. Wir fordern einen Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen. Wer nicht oder weniger als zehn Prozent der Belegschaft ausbildet, soll zahlen. Wir kämpfen zudem für die unbefristete Übernahme in den erlernten Beruf und die Erhöhung der Vergütung für Azubis auf ein existenzsicherndes Niveau. Wir fordern zudem die Einführung einer elternunabhängigen Grundsicherung.

Unser Ziel ist selbstbestimmtes Lernen ohne Leistungsdruck, bei dem es nicht darum geht, besser als die anderen zu sein. Das wäre Bildung in einer Gesellschaft, in der die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

4.4 Demokratisierung, Freiheit und Selbstbestimmung

Demokratisierung

In der derzeit existenten repräsentativen Demokratie ist die Umsetzung der eigenen Interessen und Belange schwer möglich, wodurch auch Politikverdrossenheit in der Bevölkerung entsteht. Die Ursache für ersteres liegt darin, dass man lediglich Personen bzw. Parteien wählt, die nicht an den Willen der Wähler*nnen gebunden sind. Kontrollmöglichkeiten sind ungenügend vorhanden. Die Wähler*innen selber können nur alle paar Jahre begrenzt Einfluss nehmen. Das verstehen wir nicht unter Demokratie, also der Herrschaft des Volkes. Jeder Bürger und jede Bürgerin muss die Möglichkeit haben, direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen. Deshalb braucht es die Möglichkeit für verbindliche Volksabstimmung auf allen politischen Ebenen.

Wir fordern die Demokratisierung aller Lebensbereiche, einschließlich der Wirtschaft. Alle Abläufe in der Gesellschaft müssen für die Bürger*innen transparent sein, damit sie mündig über sie entscheiden können. Grundlage für die freie Entscheidung der Bürgerin und des Bürgers ist die materielle Abgesichertheit. Deshalb ist eine wirkliche Demokratie erst in einer Gesellschaft möglich, die frei ist von ökonomischen Zwängen des Marktes.

Freiheit und Selbstbestimmung

Während uns der Abbau sozialer Sicherheit als ein Gewinn an Freiheit verkauft wird, werden die im Grundgesetz festgeschriebenen Freiheitsrechte immer weiter abgebaut und eingeschränkt. Videokameras, Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchungen und zunehmende Repression auf Demonstrationen sind nur einige Zeichen eines Staates, der versucht, den katastrophalen Ergebnissen seiner neoliberalen Sozialpolitik mit verschärften Überwachungsmaßnahmen zu begegnen. Unter Vorwand der „Terrorbekämpfung“ wird sogar die Unschuldsvermutung ausgehebelt und alle Menschen werden unter einen Generalverdacht gestellt. Wir kämpfen für den Schutz und Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte. Die Privatsphäre ist ein schützenswertes Gut, das verteidigt werden muss.

Doch der Staat mischt sich nicht nur auf so eine Weise in unser Leben ein, er verwehrt auch einen selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Körper. Die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben ist Aufklärung durch Bildung. Menschen müssen sich über die Folgen ihres Handelns bewusst sein, um selbstbestimmt leben zu können.

Wir fordern die Entkriminalisierung aller Konsument*innen von Rauschmitteln und damit untrennbar eine differenzierte Aufklärung, um einen verantwortlichen Umgang mit diesen zu fördern.

4.5 Konsequent gegen Krieg – eine friedliche Welt ist möglich!

In der Welt werden viele Kriege geführt – und Deutschland mischt wieder mit. Die Bundeswehr ist immer mehr eine global operierende Interventionsarmee. Wer wissen will warum, kann das im Weißbuch der Bundeswehr nachlesen. Dort steht, dass ein “ungehinderter Warenaustausch“ und die “Rohstoffzufuhr“ für den deutschen Markt auch militärisch gesichert werden sollen. Dass Krieg ein Mittel der westlichen Industriestaaten für die Durchsetzung ökonomischer und geostrategischer Machtinteressen ist, wird selten so offen zugestanden. Stattdessen werden Kriege unter dem Deckmantel der Verteidigung von Menschenrechten und dem Kampf gegen den Terror begründet.

Ein Abzug aller deutschen Truppen, die außerhalb Deutschlands stationiert sind, die Schließung der Militärbasen auf deutschem Boden, die Verweigerung von Überflugrechten für das Militär anderer Staaten sowie die Ablehnung von Militäreinsätzen der Bundeswehr und der NATO sind erste notwendige Schritte hin zu einer friedlichen Welt. Daraufhin muss die Abschaffung der Bundeswehr und deren Überführung in zivile Einrichtungen folgen. Gleiches gilt für die enteigneten Rüstungskonzerne. Darüber hinaus fordern wir die militärische Abrüstung Europas und setzen uns für den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und anderen Militärbündnissen sowie für deren Auflösung ein.

Die Linksjugend [’solid] ist ein antimilitaristischer Verband. Wir sagen: Frieden lässt sich nicht mit Waffen schaffen! Wir sagen: es ist verlogen, einerseits Waffen in alle Welt zu exportieren, kriegerische Bündnisses zu unterstützen, um dann als so genannte Friedensstifter ganze Regionen und Länder zu besetzen. Wir streiten für die radikale Abrüstung in allen Ländern. Unser Ziel ist eine vollständig entmilitarisierte Gesellschaft.

Als Sozialist*innen und Antimilitarist*innen engagieren wir uns gemeinsam mit anderen außerparlamentarischen und parlamentarischen Kräften gegen Krieg und treten für friedliche Konfliktlösungen ein. Das schließt die Ablehnung von UN-mandatierten Militärinterventionen unter Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta ein. In diesem Zusammenhang stehen wir fest an der Seite der Partei DIE LINKE, damit diese auch weiterhin eine konsequente Antikriegspartei bleibt.

Friedenspolitik bedeutet für uns mehr als die Ablehnung von Kriegseinsätzen: Eine friedliche Welt wird dauerhaft nur möglich sein, wenn die Ursachen von Krieg und Gewalt überwunden werden. Daher kämpfen wir dafür, dass die soziale Ungleichheit überwunden wird und der imperialen Neuaufteilung der Welt eine soziale und demokratische Perspektive entgegengesetzt wird. Anstatt für Krieg und Aufrüstung sollen die finanziellen Mittel wesentlich stärker als bisher für die Überwindung unwürdiger und ausbeuterischer Lebensbedingungen eingesetzt werden.

Aufgrund der Geschichte Deutschlands und seiner Verantwortung für zwei Weltkriege sagen wir: Von deutschem Boden darf kein Krieg ausgehen! Eine friedliche Welt ist nötig und möglich.

4.6 Lohnarbeit

Längere Arbeitszeiten, höherer Druck am Arbeitsplatz, sinkende Reallöhne und zunehmende Ausbeutung kennzeichnen die Entwicklungen in der Arbeitswelt. Wer nicht das Vergnügen hat, seine Arbeitskraft verkaufen zu dürfen, dem bleibt nichts anderes übrig als die Armut durch Arbeitslosengeld II und Sozialleistungen. Dadurch wächst auch der Druck auf alle anderen, die arbeitslos sind, ihre Ausbildung machen oder andere notwendige aber unbezahlte Arbeit verrichten, wie Hausarbeit und die viel gelobten ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Wer arbeitet, kann wenig über seine Tätigkeit und sein Leben bestimmen, nicht nur der Arbeitstag ist dem Diktat des Kapitals unterworfen, sondern auch die Freizeitindustrie muss Profit abwerfen. Frauen haben neben dem tendenziell niedrigeren Lohn auch oft noch die besonders schwierige Aufgabe Arbeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen, was durch gestiegene Lebenshaltungskosten und zu wenige Kita-Plätze nicht einfacher wird.

Menschen mit Behinderungen werden zunehmend aus der Arbeitswelt verdrängt oder erhalten erst gar nicht die Möglichkeit dort Fuß zu fassen.

Die Arbeiter*innenklasse steht zwar nicht mehr zum Großteil am Fließband, aber die Arbeitsbedingungen in der Dienstleistungsgesellschaft gleichen immer mehr denjenigen, denen Fabrikarbeiter*innen im vorletzten Jahrhundert ausgesetzt waren. Die Ausbeutung ist nicht weniger geworden, sie hat nur ein anderes Gesicht. Die Stechuhr hat jetzt ein digitales Display und ist mit einer Magnetkarte zu bedienen und Scheinselbstständigkeit wird zur modernen Leibeigenschaft.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten hundert Jahren stark verändert, doch die Konfliktlinien zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in oder anders gesagt zwischen Kapital und Lohnarbeit sind dieselben geblieben.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der nicht einige wenige entscheiden wie und unter welchen Bedingungen Arbeit verrichtet wird, welche Arbeit entlohnt wird und welche gefälligst kostenlos zu verrichten ist. Wir denken, dass jede Arbeit, die gesellschaftlich notwendig ist, auch gesellschaftlich organisiert und entsprechend bezahlt werden sollte. Wir denken dabei sowohl an die Produktion von Gütern, Dienstleistungen aber auch Wäsche waschen, kochen, Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, und vieles mehr.

In einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel nicht mehr in der Hand einer privilegierten Schicht sind, und die Menschen selbst entscheiden, welche Arbeiten für den Erhalt und die Verbesserung der Gesellschaft nötig sind, kann auch jede notwendige Arbeit vergütet werden. Denn wir sind auch davon überzeugt, dass jede*r Einzelne etwas zu dieser Gesellschaft beisteuern kann, auch wenn sie ein Handicap haben. Wir stehen auch für einen konsequenten Bruch mit der Standortlogik der Unternehmer*innen, die nur die zynische Wahl zwischen Lohn- und Tarifdumping einer seits und Schließung und Verlagerung der Betriebe andererseits lässt.

Unsere Antwort auf Fabrikschließungen, Produktionsverlagerungen und Massenentlassungen ist die Forderung nach Vergesellschaftung unter Arbeiter*innenkontrolle. Nur die Beschäftigten selbst können garantieren, dass die Unternehmensentwicklung auf die Bedürfnisse der Gesellschaft abgestimmt ist, und nicht auf die Gewinnsucht der Aktionär*innen. Wir verstehen diese Vergesellschaftung einzelner Betriebe als ersten Schritt hin zu einer demokratisch geführten Wirtschaft mit gesamtgesellschaftlichem Produktionsplan.

Wir warten aber nicht auf bessere Zeiten und kämpfen auch unter kapitalistischen Bedingungen für jede Verbesserung: Ein gesetzlicher Mindestlohn, kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich, Gleichstellung der Frauen im Beruf, gleichen Chancen für Menschen mit Behinderungen, eine Verbesserung der Rechte der Arbeitnehmer*innen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Ende der erniedrigenden Hartz IV-Gesetze sind für uns Grundbedingung für ein menschenwürdiges Leben.

4.7 Medien und Kultur

Stärker als je zuvor wird Kultur heute medial vermittelt. In nahezu jedem Haushalt finden sich Fernseher, Radios, Zeitungen und online fähige PCs mit Zugang zum Internet.

Dabei stellt die Ergänzung der traditionellen Print- und Rundfunkmedien durch Onlinemedien die gravierendste Veränderung der Medienlandschaft seit Beginn des Buchdrucks dar. Erstmalig wurde die kommunikative Einbahnstraße von Sender-Empfänger Prinzip durchbrochen. Allein das Vorhandensein der technischen Voraussetzungen gewährleistet jedoch nicht die gesellschafts-übergreifende Nutzung dieser Sendeoption für progressive und emanzipatorische Zwecke. Grund ist die jahrzehntelange Monopolstellung der öffentlichen Sendeanstalten, die dadurch kein Interesse an der flächendeckenden Förderung von Medienkompetenz zeigten. Neben der tatsächlichen Mediennutzung gehören nämlich vor allen Dingen eine umfangreiche Medienkunde, die Fähigkeit zur Medienkritik und schließlich die eigene Gestaltung von Medien zu einem medienkompetenten und dadurch auch emanzipatorischen Umgang mit den neuen Sendemöglichkeiten. Durch die Teilprivatisierung des Rundfunks wurde nur scheinbar eine heterogene Medienlandschaft eingeführt, die tatsächlich aber durch „Beurteilungsspielräume“ oder so genannte „Legalausnahmen“ im europäischen Kartellrecht unterminiert wird und zudem ausschließlich der weiteren Kapitalisierung von Medien dient.

Als sozialistischer Jugendverband streiten wir daher für eine umfassende Förderung von politisch und ökonomisch unabhängigen Medienkompetenzprojekten, für die Ausweitung der Offenen Kanäle auf kommunaler Ebene und für die Beseitigung des Digital Divide auf internationaler Ebene. Wir begrüßen ausdrücklich die Entwicklung so genannter freier Software, sowie Alternative Lizenzen wie Creative Commons License (CCL) oder General Public License (GPL), die Wissen dem Verwertungszwang entziehen und nicht kommerzielle Weiterverwendung und -entwicklung gewährleisten können. Wir fordern eine Entmonopolisierung und Demokratisierung der Medienkonzerne.

Kultur

Jugendliche brauchen Frei(e)räume um selbstbestimmt Kunst, Kultur, Freizeit, Sport und politisches Engagement leben und gestalten zu können. Wir setzen uns deshalb für selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentren ein, in denen Jugendliche mit ihren Bands proben, selber Lesungen, Theater, Diskussionsrunden, Kneipe und Parties organisieren und Raum für alternative Projekte, Meinungen und kulturelle Ansätze schaffen können. Wir wehren uns gegen die Privatisierung und Kommerzialisierung von Kultur in Opern, Museen, Schauspielhäusern und Kunsthallen. Wir streiten dafür, dass ihre Inhalte kritisch und unkonventionell sein können und der Eintritt frei ist. Aber auch jenseits der so genannten „Hochkultur“ fordern wir öffentliche Förderung und Unterstützung unkommerzieller Kultur der „Freien Szenen“, der Einzelkünstler, Nachwuchsbands, der experimentellen Kunstformen und des Straßentheater. Kunst und Kultur müssen freien Raum bekommen, bunt sein, sie dürfen kritisch und unbequem sein – und sie müssen für alle da sein.

4.8 Ökologie und Klimaschutz

Die fortschreitende Vernichtung unserer Umwelt, der Raubbau an fossilen Rohstoffen, das Artensterben und die Klimaveränderung mit Wüstenbildung, Unwetter und Überschwemmungen, durch Luft- und Wasserverschmutzung, die Überfischung, die Grausamkeiten der Ausbeutung tierischen Lebens, intensivierte Landwirtschaft, gentechnisch veränderte Nutzpflanzen etc. sind Ergebnisse und Phänomene eines kapitalistischen Wirtschaftssystems. Dieses ist auf ständiges Wachstum angewiesen und steht so im dauernden Konflikt mit begrenzten Rohstoffen und Aufnahmekapazitäten der Natur.

Unter den Folgen des Klimawandels leiden vor allem die Bewohner*innen der armen Länder, die ihn am wenigsten zu verantworten haben. Steigende Energiepreise und Heizkostentreffen auch in den Industrieländern vor allem ärmere Teile der Bevölkerung und vertiefen soziale Spaltungen.

Infolge der Umweltzerstörung kommt es außerdem zu gewaltigen Fluchtbewegungen von Menschen, deren Leben existentiell bedroht wird. Die ökologische Frage ist daher gleichzeitig eine soziale Frage.

Auch deshalb können wir uns nicht darauf verlassen, dass der technische Fortschritt die Probleme von alleine löst. Elitäre Lösungen, die den Verbrauch von Rohstoffen faktisch nur noch einer kleinen privilegierten Gruppe gestatten wollen, lehnen wir ab. Auch individuelle Antworten wie Änderungen des Konsumverhaltens oder Mülltrennung können die Probleme leider nicht lösen.

Deshalb wollen wir eine sozialistische Gesellschaft, in der wir demokratisch entscheiden können, was wie produziert wird und wie wir unsere Rohstoffe verwenden.

Die Welt ist zu kostbar, um ihre Rettung in der Hoffnung auf eine künftige solidarische Weltgemeinschaft von morgen zu verschieben. Deshalb müssen wir schon heute vor der Etablierung einer sozialistischen Welt Lösungen finden und aktiven Umweltschutz betreiben, damit wir die Erde den nachfolgenden Generationen besser hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben. Wir fordern daher Investitionen in nachhaltige Energieerzeugung, in energiesparende Bauweisen und eine Abwendung von Atomkraft und konventionell angetriebenen Kraftfahrzeugen, eine Umorientierung der Verpackungsindustrie hin zu biologisch abbaubaren Verpackungen sowie Alternativen zur Gentechnik wie z.B. Smart Breeding. Ein Rückgriff auf regional erzeugte Lebensmittel, die ohne lange Transportwege und damit umweltfreundlicher zum Verbraucher kommen, betrachten wir nicht als Rückschritt.

Die Ausweitung des ÖPNV, seine Unentgeltlichkeit sowie der Ausbau von Fahrradwegenetzen und die Einrichtung von Umweltzonen sollen unsere Kommunen lebenswerter machen.

4.9 Internationalismus

Bei Auseinandersetzungen um Betriebsschließungen oder -verlagerungen in Billiglohnländer, scheinen immer wieder die Interessen der Belegschaften in Deutschland gegen die in anderen Ländern zu stehen. Auf diesen Unterbietungswettbewerb um die niedrigsten Löhne und sozialen Standards, kann die richtige Antwort nicht eine isolationistische Politik sein, sondern nur eine Internationalisierung unserer Kampfformen, beispielsweise durch die Unterstützung des Aufbaus internationaler Gewerkschaften und Betriebsräte, die stärkere Vernetzung der sozialen Bewegungen in den einzelnen Ländern und das Lernen aus den Erfolgen und Niederlagen der fortschrittlichen Bewegungen weltweit.

Deshalb begrüßen wir die Emanzipationsbestrebungen in vielen lateinamerikanischen Ländern, die – getrieben von sozialen Basisbewegungen – einen neuen beteiligungsorientierten Weg in Richtung eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ gehen. Wir werden die Projekte wie in Venezuela und Bolivien weiter unterstützen und den Austausch mit Jugendorganisationen in diesen Staaten suchen. Unsere Solidarität gilt auch Kuba, welches sich seit Jahrzehnten imperialistischen Angriffen ausgesetzt sieht und bis jetzt seinen Weg des Sozialismus gegen alle Angriffe von außen verteidigt hat. Wir fordern die Aufhebung aller Blockaden und Sanktionen gegen Kuba. Zugleich untersagt unsere Solidarität aber auch nicht die berechtigte und notwendige Kritik an den vorhandenen Fehlentwicklungen.

Die Linksjugend [’solid] ist internationalistisch. Wir wissen, dass die Probleme des globalen Ausbeutungssystems nicht allein national gelöst werden können. Wir setzen der kapitalistischen Globalisierung die konkrete Utopie einer globalen Emanzipationsbewegung, einer Globalisierung von sozialer Gleichheit, Frieden, Arbeitnehmer*innen- und Menschenrechten entgegen. Unser Motto lautet: „Think global – act local!“ Die Linksjugend [’solid] versteht sich als Teil der europäischen Linken. Wir kritisieren den jetzigen Kurs der europäischen Einigung – er ist undemokratisch, neoliberal, patriarchal und er rüstet Europa zu einer imperialistischen Militärmacht auf. Wir setzen uns für einen linken Richtungswechsel in Europa ein, wir wollen endlich Volksabstimmungen, damit die Menschen mit entscheiden können. Wir wollen offene Grenzen, ein friedliches Europa und die Durchsetzung sozialer Grundrechte wie europäischer Mindestlöhne und das Verbot der Privatisierung öffentlichen Eigentums. Kurz: wir wollen nichts weniger als die demokratische, soziale und zivile Neugründung der Europäischen Union.

4.10 Gender

Noch immer werden Machtpositionen vor allem von Männern ausgeübt, verdienen Frauen weniger Geld – auch für die gleiche Arbeit -, müssen einen Großteil der unbezahlten Arbeit in Haushalt, Pflege und Kindererziehung leisten und sind überdurchschnittlich oft von unsicheren Arbeitsverhältnissen betroffen. Dies ist die Folge einer Gesellschaftsstruktur, die Menschen in zwei Geschlechter einteilt und diesen unterschiedliche soziale Rollen zuweist, wie zum Beispiel der Frau die Rolle als “aufopfernde Mutter” oder dem Mann als “Karrierebewusster Ernährer”. Diese Einteilungen und Zuweisungen sind biologisch nichtbegründbar, sondern sind sozial konstruiert und reproduziert, indem man von klein auf wie ein “Junge” oder “Mädchen” bzw. “Mann” oder “Frau” behandelt wird, dies als “natürlich” hinnimmt und weiter trägt.

Wir wollen diese Rollenzuschreibungen überwinden und lehnen ein binäres Geschlechtermodell ab. Wir treten für eine Gesellschaft ein, in der sich jeder frei von geschlechtsspezifischen Zwängen entwickeln kann und sich Identität nicht über ein Geschlecht definiert.

Des weiteren richten wir uns gegen die Diskriminierung und Benachteiligung von sexuellen Identitäten und Formen des Zusammenlebens jenseits der heterosexuellen Norm.

Wir stehen für die Pluralität der Identitäten und der selbstbestimmten Sexualität. Daher fordern wir den freien Zugang zu Verhütungsmitteln sowie den legalen Schwangerschaftsabbruch und die Abschaffung jeglicher Privilegien der Ehe. Selbstverständlich fordern wir zudem die gleichen Verdienst- und Arbeitsmöglichkeiten unabhängig vom Geschlecht und den sexuellen Neigungen.

4.11. Menschenrechte

Millionenfach wurde in der Internationalen folgende Textpassage besungen: „Die Internationale erkämpft das Menschenrecht“. In dieser Tradition stehen wir, und wir richten unsere Politik auch konsequent auf die Einhaltung der Menschenrechte hin aus. Es ist unser ständiges Ziel, auf die Einhaltung von Menschenrechten hinzuarbeiten und gegen ihre Aushöhlung zu kämpfen. Menschenrechte sind für uns universell und unteilbar, und wir streben stets soziale Teilhaberechte, politische Teilnahmerechte und Abwehrrechte an. Politischer Fortschritt ist für uns unmittelbar mit der Gewährleistung von Menschenrechten verbunden. Eine oft in sozialistischen Denktraditionen vor findbare Hierarchisierung von Menschenrechten lehnen wir ab, denn wir wollen, dass für jeden Menschen jedes Recht verwirklicht wird.

Deshalb kritisieren wir auch, dass in der Außenpolitik, insbesondere der Deutschen, oft der Profit vor der Achtung der Menschenrechte steht. Wir setzen uns gegen jede Form von Waffenhandel ein, der oft die strukturellen Voraussetzungen für den Missbrauch von Menschenrechten schafft. Und wir werden jede Regierung kritisieren, unabhängig davon wie sie sich selbst bezeichnet, wenn sie die Menschenrechte mit Füßen tritt.

5. Outro

Es reicht nicht, von einer besseren Welt zu reden. Wir müssen sie uns erschaffen. Hier und jetzt. Linke Politik darf nicht nur im Kopf stattfinden, sondern muss so radikal wie die Wirklichkeit gelebt werden.

Sei es die Schaffung linker Kulturzentren, alternatives Wohnen, bloßes solidarisches Miteinander, gesellschaftskritische Musik, Literatur oder Kunst, ökologische Lebensführung oder ein anderer Ansatz – wir heißen jedes emanzipatorisches Projekt gut, dass Möglichkeiten jenseits des Kapitalismus aufzeigen will.

Wir treten dafür ein, uns Freiräume zu erkämpfen; jede Nische, die sich uns bietet, kreativ und einfallsreich mit neuen Ideen auszufüllen. Bestehende linke Zentren und Projekte müssen verteidigt und gehalten, neue von uns in Anspruch genommen und aufgebaut werden.

Natürlich wollen wir den Kapitalismus zerstören. Aber diesem Zerstörerischem ruht auch etwas Schöpferisches inne. Widerstand bedeutet, Alternativen zu schaffen.

Dieses Papier ist sehr offen gehalten und spricht sehr verschiedene Menschen an. Mit Absicht. Wir wollen keine uniforme Gruppe sein, unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Wir fordern alle Genoss*innen, die sich mit unseren Grundsätzen identifizieren können, dazu auf, sich unserer Gruppe anzuschließen und die Linksjugend [`solid] zu einem offenen, radikalen, bunten, solidarischen, bewegungsorientierten und in jedem Falle linken Jugendverband zumachen.