[Interview] Landtagskandiatin Hilke Hochheiden: Leider scheint die AfD profitiert zu haben

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01_Hilke HochheidenDie [‘solid]-Landessprecherin und Mannheimer Landtagskanditatin Hilke Hochheiden spricht über die Aufgaben der LINKEN in Baden-Württemberg in Bezug auf die kommende Landtagswahl. Seite an Seite mit LINKE.-Spitzenkanditatin Gökay Akbulut stämmt sie den Wahlkampf in den Wahlkreisen von Mannheim. Vor allem die Situation in Kurdistan sowie die Geflüchtetenpolitik liegt beiden am Herzen. Hilke berichtet von ihrem Engagement gegen Rechts, insbesondere gegen die neofaschistische AfD. Im Interview berichtet sie auch von der Wichtigkeit diverser Inklusionsprojekte vor Ort, welche DIE LINKE. vorantreibt.

Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg: Hilke, du bist dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge in den Landessprecher*innenrat der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg gewählt worden und dort Schatzmeisterin. Ebenso bist du seit Langem in unserem Studierendenverband Die Linke.SDS aktiv und setzt dich für eine Verbesserung der Situation an den Universitäten ein. Was motiviert dich dazu, dich linkspolitisch zu engagieren?

Hilke Hochheiden: Generell habe ich den Wunsch, die Welt ein wenig zu verbessern. Es passiert viel zu häufig, dass an den einzelnen Themen einfach nur herumgedoktert wird, jedoch braucht es vielfach radikale Änderungen. Das ist meiner Meinung nach nur mit links machbar, denn es geht darum, die Welt lebenswerter zu gestalten.

[‘solid] BaWü: Meinst du, dass DIE LINKE. in Baden-Württemberg derzeit dazu in der Lage ist, etwas an den sozialen Missständen zu beheben?

Hilke: Ich sehe DIE LINKE. vor allem als Vehikel, Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, sich politisch zu engagieren. Selbst wenn DIE LINKE. mit fünf Prozent in den Landtag käme, werden es nicht die parlamentarischen Initiativen sein, die das Leben lebenswerter machen. Vor allem, da DIE LINKE. – wenn überhaupt im Parlament – dann in der Opposition sein wird.

Doch man kann Menschen eine Plattform und ein Sprachrohr geben und man kann Menschen bei ihren sozialen Kämpfen unterstützen. Das betrachte ich als die Aufgabe der LINKEN. Wenn DIE LINKE. das öfter machen würde, hätte sie auch in Baden-Württemberg mehr Gewicht.

[‘solid] BaWü: Hilke, du kandidierst in Mannheim im Nachbarwahlkreis der LINKE.-Spitzenkandidatin Gökay Akbulut. Wie gestaltet sich dadurch der Wahlkampf, gibt es da Synergieeffekte?

Hilke: Gökay kandidiert zwar im Nachbarwahlkreis, doch letzten Endes sind wir beide Mannheimer Kandidatinnen. Das spürt man schon bei der Plakatierung. Da Gökay zudem Stadträtin ist, hängt ihr Plakat natürlich auch in meinem Wahlkreis. Auch die linke türkische oder kurdische Community lebt nicht nur im Mannheimer Norden, sondern in ganz Mannheim. Daher läuft die Mobilisierung in der ganzen Stadt.

Da Gökay aber landesweit Termine hat, kann sie auf Veranstaltungen, Kundgebungen und Demos nicht immer da sein. Dann springe ich auch mal ein. Wir machen einen gemeinsamen Wahlkampf in derselben Stadt.

[‘solid] BaWü: Demzufolge sind die kriegerischen Auseinandersetzungen in Kurdistan für euch ein großes Thema …

Hilke: Absolut. Für die türkischen Linken wie die DIDF, die Aleviten und die Kurden ist es das auf alle Fälle. Das ist menschlich. Über 50 Prozent der Mannheimer*innen haben einen Migrationshintergrund. Da spürt man die Unterstützung in der Stadt schon, wenn man eine Spitzenkandidatin hat, die nicht in der fünften Generation hier ist, sondern erst aus der Türkei gekommen ist. Das ist etwas anderes als die anderen Parteien anbieten.

[‘solid] BaWü: Kann man dann als LINKE. das Geflüchtetenthema anders angehen als in anderen Teilen Baden-Württembergs?

Hilke: Auf jeden Fall, da unsere Spitzenkandidatin selbst eine Geflüchtetenbiografie hat. Das macht linke Positionen zum Thema deutlich authentischer, da wir jemanden haben, die aus Erfahrungen spricht und wir verstecken das nicht. Zudem haben wir in Mannheim eine sehr lebhafte Szene, bei der Leute auch sagen: “Hey, jetzt will ich da was tun und helfen.” Diese Menschen können wir ein Stück weit mitnehmen.

[‘solid] BaWü: Inwiefern ist der Ortsverband der [‘solid] dort involviert? Arbeitet ihr da an Flüchtlingsprojekten?

Hilke: Wir befassen uns seit längerem sehr stark mit der Osttürkei, Syrien und Rojava, da es dort ja wieder den Bürgerkrieg gibt. Daher sind auch einige Kurd*innen bei uns aktiv. Mehrere einzelne Akteure sind bei uns in verschiedenen Geflüchtetenverbänden aktiv. Es gibt zum Beispiel “Nice to meet you”, “Mannheim sagt ja”, wo wir uns engagieren. Weniger als ganze Gruppe, aber umso mehr als Individuen.

[‘solid] BaWü: Bedeutet das dann auch ein stärkeres Engagement gegen Rechts?

sticker_a7_nazisHilke: Das ist ein riesiges Thema. Als die AfD auf die Idee kam, Frauke Petry nach Mannheim einzuladen, waren wir auf der Gegenkundgebung in der ersten Reihe. Und wenn im Umland von Mannheim die NPD-Nazis unterwegs sind, wissen wir leider auch, wie unsere Wochenendgestaltung aussieht.

[‘solid] BaWü: Du hast Petry erwähnt, die im Mannheimer Morgen gerade ihr “grandioses Interview” gegeben hat, in dem sie den Schusswaffeneinsatz gegen Geflüchtete fordert. Ist diese gefährliche Forderung eine Chance für die AfD oder hat sie sich damit endgültig ins Abseits gestellt?

Hilke: So sehr ich mir wünsche, dass sie die AfD damit ins Abseits gestellt hätte, fürchte ich jedoch, dass es Leute gibt, die so menschenverachtend drauf sind und sie die AfD gerade wegen solcher Äußerungen wählen. Petry hat es geschafft, dass ganz Deutschland davon redet. PR-technisch war das leider gar nicht so dumm. Dabei müssen die Menschen endlich raffen, wie die AfD tickt und genau deswegen beschließen, sie doch nicht zu wählen.

[‘solid] BaWü: Was würdest du Leuten mit auf den Weg geben, die die AfD wählen wollen?

Hilke: Ich würde ihnen klarmachen, dass die Geflüchteten nicht die Ursachen der sozialen Probleme sind. Die Probleme, die AfD-Wähler*innen vermeintlich gelöst haben wollen, haben andere Ursachen. Deutschland hat 80 Millionen Einwohner*innen, dann ist jetzt eben eine Million dazu gekommen. Selbst wenn es zwei oder drei Millionen Menschen sind, können wir sie integrieren, wenn wir es nur wollen.

Man darf aber nicht einfach wieder irgendwelche Ghettos bilden und beschließen, dass man kein Geld – etwa für Sprachkurse – hat. Auch sind die Geflüchteten nicht der Grund dafür, dass man keine Wohnungen findet, sondern wir hatten den Wohnungsmangel schon davor. Es sind die herrschenden Politiker*innen, die nicht bereit sind, entsprechende Steuererhöhungen für Reiche vorzunehmen, damit man von dem Geld sozialen Wohnungsbau vorantreiben kann. Dieses Problem gibt es doch nicht erst seit einem Jahr. Das gibt es bereits seit fünf oder sechs Jahren.

[‘solid] BaWü: Engagiert ihr euch als [‘solid] Mannheim noch auf anderen sozialen Gebieten?

Hilke: Ganz unterschiedlich. Momentan unterstütze ich ein paar Jugendliche dabei, einen Jugendtreff zu errichten und schaue, ob man dort noch Gelder von der Stadt bekommen kann.

[‘solid] BaWü: Gibt es auch Inklusionsprojekte, die sich konkret für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen?

barrierefrei_stickerHilke: Um Weihnachten herum gab es eine Aktion in Mannheim, bei der ich leider nicht dabei sein könnte. Im Mannheimer Norden gibt es einen Schulweg, der ein dunkler Feldweg ist. Für Menschen mit Behinderung ist dieser Weg in einem untragbaren Zustand. An der Aktion haben wir uns stark dran beteiligt. Auch manche Straßenbahnhaltestellen in der Stadt gehen aus Sicht der Barrierefreiheit auf keine Kuhhaut.

[‘solid] BaWü: Was muss in diesen und in anderen Fragen im Landtag passieren? Kann man (als LINKE.) mit seinen Anliegen an Grün-Rot herantreten? Sind davon Verbesserungen zu erwarten?

Hilke: Man kann mit ihnen sicherlich reden. Ob Wählen alleine etwas bringt, wage ich zu bezweifeln. Man kann aber vor allem Druck machen, sich mit Betroffenen und Betroffenenverbänden solidarisch erklären und man kann versuchen, auf die Missstände aufmerksam zu machen. Da geht es um ganz konkrete Punkte, das heißt, dass alle Haltestellen im öffentlichen Nahverkehr barrierefrei gestaltet werden müssen. Dafür wird aber nicht genug Geld zur Verfügung gestellt. Das wäre ein ganz konkretes Problem, an das man mit viel Öffentlichkeitsarbeit herangehen muss, um hier dafür zu sorgen, dass entsprechende Gelder dafür bereitgestellt werden.

Teil II von Hilkes Interview veröffentlichen wir am Dienstag. Darin spricht sie darüber, weswegen das Bundeswehr-Mandat der Bundesregierung ihrer Meinung nach nicht dazu beitragen wird, den IS zu bekämpfen und dass sie es für einen Fehler der politischen Linken hält, rechten Verschwörungstheoretiker*innen die Friedensbewegung zu überlassen …

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