Die linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg kritisiert den gerade von der Bundesregierung beschlossenen Lufteinsatz der Bundeswehr in Syrien und ruft die Bundestagsabgeordneten zur Ablehnung auf. Wir freuen uns, dass DIE LINKE schon eine geschlossene Ablehnung angekündigt hat.
Die Aufklärungsmission durch deutsche Tornado-Jets soll am Freitag im Bundestag abgestimmt werden – ein klares Ja zeichnet sich bereits in den Probeabstimmungen ab.
„Als offensichtliche Kurzschlussreaktion auf die Terroranschläge in Paris will nun auch die Bundesregierung Kampfflugzeuge in Syrien einsetzen. Auch wenn diese vorerst nur zur Aufklärung dienen sollen ist eine weitere Eskalation zu erwarten. Was in jedem Fall aber fehlt ist eine Gesamtstrategie mit einem Konzept für die Region. Unterstützung erfährt hier nämlich die internationale Koalition, die sich dem Kampf gegen den IS verschrieben hat. Dieser stellt – bei aller Brutalität und Größe – jedoch nur einen Teil der grausam agierenden Truppen in Syrien und erst recht der internationalen islamistischen Terrormilizen.” erklärt Jan Lorenz von der Linksjugend [‘solid].
Im speziellen Fall Syrien hat die mit Abstand meisten Todesopfer immer noch das Regime des Diktators Assad zu verantworten, der die Opposition seit Anfang an grausam foltern und bekämpfen lässt. Unterstützung erhält er inzwischen durch den Einsatz Russlands, das auf seinen Einfluss im Land nicht verzichten möchte. Ein Sieg für das syrische Regime würde ganz sicher keinen Frieden für die Bevölkerung bedeuten und eine Entspannung der Situation in Syrien auf lange Zeit verhindern. Assad ist kein Teil der Lösung.“ kommentiert Vanessa Kohm, Landessprecherin der Linksjugend [‘solid].
Hinzu kommen zahlreiche islamistische und nationalistische Truppen. Auch der Einfluss des Iran und seiner „Revolutionsgarden“ ist nicht zu unterschätzen. Alle diese würden durch eine alleinige Bekämpfung des IS gestärkt. Bei einem Triumph der radikal-schiitischen Kräfte, die vor allem der Iran in den Krieg einbringt, würde ein großer Teil der sunnitischen Bevölkerung in die Hände des IS getrieben.
Statt überhaupt erstmal eine gemeinsame Strategie anzustreben, begibt sich also nun auch die Bundesrepublik in einen Konflikt, in dem jeder sein eigenes Süppchen kocht – einem Stellvertreterkrieg, den die eigentliche Bevölkerung längst verloren hat und der von einem Versagen der internationalen Gemeinschaft zeugt. Die alleinige Bombardierung des IS löst weder die desaströse Lage für die Menschen in Syrien, noch beseitigt sie den internationalen militanten Islamismus.
„Nicht nur die Kriegsparteien in Syrien sondern auch die deutsche Bundesregierung für sich betreibt eine äußerst widersprüchliche Politik“, ergänzt Ryk Fechner, Landessprecher der Linksjugend [‘solid]
Während der IS nun bekämpft werden soll, werden zum Regime in Saudi-Arabien, dessen Königsfamilie die Bevölkerung mit ganz ähnlichen Gesetzen bestraft und unterdrückt, beste Beziehungen unterhalten. Auch das iranische Regime, das internationalen Terror unterstützt, wird seit dem Atomdeal für Wirtschaftsbeziehungen umworben. Menschenrechte spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch die türkische Regierung zu nennen, die den IS unterstützt und Kämpfer*innen über die Grenze lässt, gerade wieder Oppositionelle verhaftet und ermordet und mit Ausgangssperren und Militär kurdische Städte tyrannisiert. Auch die kurdischen YPG-Kräfte wurden innerhalb Syriens schon durch die Türkei bombardiert. Deren basisdemokratischer Ansatz wird aus Rücksicht vor dem türkischen Partner auch von der Bundesrepublik boykottiert.
Obwohl Erdogan kaum einen Hehl daraus macht, dass er den IS nur zu gerne gegen die kurdischen Kämpfer*innen gewähren lassen will, geht es der EU in freundschaftlichen Verhandlungen hauptsächlich darum, wie er ihr die Flüchtlinge vom Leib hält um sie aus den Nachrichten zu bekommen.
Diese Abschottungspolitik, die auch in Abschiebungen von Flüchtlingen in Kriegsländer endet wird begleitet von fast täglichen Angriffen auf Flüchtlingsheime und rechtspopulistischen Forderungen aus Regierungskreisen wie nach einem Integrationsgesetz, das bestimmte Meinungen untersagen soll, denen Muslime verdächtigt werden. Auch wenn die für das Gesetz angedachten Punkte indiskutabel sind – das Signal an Geflüchtete und Muslime ist: Ihr seid „die anderen“ und wenn wir Euch überhaupt akzeptieren, zeigen wir Euch wo es langgeht.
Integration sieht anders aus! Vor allem die Tatsache, dass die Attentäter von Paris hauptsächlich französische und belgische Staatsbürger waren sollte uns zeigen, dass die europäische Gesellschaft neue Angebote machen muss, die alle mit einbeziehen statt jetzt zum Kulturkampf zu blasen. Genau diesen will nämlich der IS. Was er fürchtet ist die Einheit von westlichen Gesellschaften und Muslim*innen. Solidarität mit Frankreich könnte also auch hier in Europa ansetzen, indem man den Sozialabbau stoppt und sinnvolle Sozialprogramme auflegt, die den Vororten von Frankreichs Städten und vielen Abgehängten zugute kommen könnten. Genau im Punkt des eisernen Sparens am Nötigsten ist die Meinung der deutschen Regierung aber bekanntlich unverrückbar.
Solidarische und weltoffene Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit, voller diplomatischer Einsatz – Auch wenn das alles nicht so spektakulär klingt wie schwarz-rot-gold-beflaggte, brummende Tornado-Jets über Syrien, es wäre sicher ein wirksamerer Beitrag.
Und auch wenn wir wissen, dass vor Ort dem IS nur mit Waffen beizukommen ist, können wir eine solche zaghafte und kontraproduktive Symptombekämpfung wie sie dieser Einsatz darstellt ohne sich an der Beseitigung der Ursachen überhaupt zu versuchen, nicht befürworten.