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Zum Antikriegstag 2016: Größere Bundeswehr schafft keinen Frieden

Krieg beginnt hier!

Krieg beginnt hier!

Die Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg ruft ihre Mitglieder und Sympathisant*innen dazu auf, sich an lokalen Antikriegsbündnissen zu beteiligen, die vielerorts nicht zum 01.09., sondern auch zum Wochenende am Samstag, den 03.09. stattfinden.

“In den vergangenen Jahren wurde der Tag, der an das Ende des zweiten Weltkriegs erinnert, immer wichtiger, zumal momentan wieder so viele Menschen auf der Flucht sind wie damals”, so Ryk Fechner, Mitglied im Landessprecher*innenrat der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg. “Dass die Bundesregierung vor diesem Hintergrund gerade mit dem Gedanken spielt, den Rüstungsetat des Bundeshaushalts von 34 auf 60 Milliarden Euro jährlich zu nahezu verdoppeln, ist an Zynismus kaum zu überbieten”, kritisiert Fechner weiter: “Mit dem internationalen Rüstungswettlauf werden keine Fluchtursachen bekämpft, sondern verschärft.”

Als Linksjugend [‘solid] stehen wir – auch wegen der zunehmenden militärischen Bedrohungen – an der Seite von Geflüchteten. Sichere Fluchtrouten nach Europa und ein Leben in Würde muss für alle Menschen möglich sein – hier und anderswo. Hierzulande ist es für uns wichtig, aktive Gewerkschafter*innen in den Betrieben zu unterstützen, die sich für Rüsungskonversion einsetzen, also dafür, dass statt Waffen und militärischen Fahrzeugen Gegenstände für den alltäglichen Gebrauch hergestellt werden.

Ebenso kritisieren wir, dass die Bundeswehr nach wie vor Offiziere an Schulen schickt, um gezielt für den Dienst an der Waffe zu werben. Diese Maßnahmen widerspechen klar der von Deutschland ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention, die es den beigetretenen Staaten untersagt, unter 18-Jährige für den Militärdienst anzuwerben. Stattdessen muss alles daran gesetzt werden, dass alle (jungen) Menschen die Möglichkeit haben, einer zivilen Erwerbsarbeit nachzugehen, in der sie sich selbst verwirklichen können.

Bei allen Sympathien für Veranstaltungen, die sich gegen Krieg richten, möchten wir jedoch nicht alles vorbehaltlos stehen lassen, was als Antikriegsveranstaltung getarnt daherkommt. Wir stellen uns gegen jeden “nationalen Antikriegstag” faschistischer Gruppen, deren Absichten mit “Nie wieder Krieg – nach unserm Sieg”-Parolen menschenverachtend, diskriminierend und im Kern eben doch militaristisch sind. Ebenso lehnen wir jede Antikriegs-“Querfront” mit Ken-Jebsen-Fans und sonstigen Verschwörungstheoretiker*innen ab, da dies allzu häufig als Einfallstor für rechte, menschenverachtende Denkmuster dient.

Kennzeichnungspflicht? Fehlanzeige!

Vor kaum fünf Jahren führten die Grünen in Baden-Württemberg einen Wahlkampf gegen den CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Insbesondere dessen Anweisung, die Demonstrationen gegen Stuttgart 21 mit massiver Polizeigewalt aufzulösen, regte die Empörung der ehemaligen Bürgerrechtspartei.

Dass von dieser Haltung heute nichts mehr übrig ist, offenbarte sich gerade einmal mehr in der Abkehr von der allgemeinen Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen. Noch zu Oppositionszeiten hatten die Grünen diese als sinnvolles Mittel gepriesen, Gewalt gegen Demonstranten besser verfolgen und verhindern zu können. Seither jedoch stellen Grüne gemeinsam mit der SPD die Landesregierung und von dem ehemaligen Einsatz für Demonstrant*innen ist nichts geblieben. Erst vor einer Woche wurden die Demonstrationen gegen den Bundesparteitag der NPD in Weinheim von massiver Polizeigewalt überschattet, die Staatsmacht prügelte Neonazis den Weg frei. Doch anstelle einer klaren Positionierung gegenüber Rechtsradikalismus verabschiedete sich die Landesregierung stattdessen von der Kennzeichnungspflicht.

Diese passe laut SPD-Innenpolitiker Nikolaos Sakellariou „nicht mehr in die Zeit“. Die prügelnden Beamt*innen bräuchten „kein Misstrauen, sondern unsere volle Unterstützung“. Die stattdessen vorgeschlagene Benennung eines „Bürger[*innen]- und Polizeibeauftragten“ – letztlich also einer Beschwerdehotline ohne nennenswerte Befugnisse – ist ein schlechter Scherz.

Dies macht die Prioritäten der grün-roten Landesregierung nur allzu deutlich und zeigt einmal mehr, welchen Rechtsruck die Grünen in den letzten Jahren erlebt haben. Von Ministerpräsident Kretschmanns wiederholter Zustimmung zur Verschärfung des Asylrechts über seine Unterstützung der Kontingente für Geflüchtete und militärischer Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hin zur Aufgabe der Kennzeichnungspflicht – wer die Grünen nach wie vor für eine pazifistische, liberale Bürgerrechtspartei hält, irrt gewaltig.

Mit der Aufgabe aller ehemaligen grünen Ideale macht sich Kretschmann zunehmend überflüssig: Auch ohne seine Politik hat Baden-Württemberg bereits genug Faschist*innen!

Terror und Anti-Terror

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Angehender Architekt orwellscher Alpträume: Innenminister Thomas de Maizière

Nach zahlreichen Terroranschlägen herrscht in vielen Ländern Europas Ausnahmezustand – im wörtlichen Sinne. Doch neben aufrichtiger Solidarität bieten die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft durchaus Anlass zur Sorge. Nicht wenige versuchen, den nun geforderten internationale Zusammenhalt als Vorwand für die Errichtung eines faschistischen Überwachungsstaates zu missbrauchen.

In den vergangenen Wochen verübte der Islamische Staat mehrere schreckliche Anschläge in vielen Teilen der Welt; ein russisches Passagierflugzeug wurde vermutlich durch eine Bombe zum Absturz gebracht, Selbstmordanschläge erschütterten Beirut und, am vergangenen Freitag, Paris. Seither folgten ein Bombenanschlag in Yola, Nigeria, sowie eine Geiselnahme in Bamako, Mali, vermutlich ebenfalls aus dem Umfeld von IS und Boko Haram.

Insbesondere infolge der Anschläge in Frankreich überschlugen sich in den letzten Tagen die Reaktionen. Zum einen zeigte sich eine Welle der Solidarität mit den Menschen in Frankreich und den Angehörigen der Opfer, die ohne Ansehung ihrer Herkunft oder Weltanschauung getötet wurden. Diese Solidarität ist schön – auch wenn sich natürlich darüber streiten lässt, warum diese bei den Anschlägen in Beirut, Yola oder jenen, die sich immer wieder in anderen Teilen der Welt ereignen, immer wieder ausbleibt.

Auch und gerade als links denkende Personn mag man versucht sein, sich dieser Welle der internationalen Solidarität anzuschließen. “Nie war so deutlich dass es nicht nationale Grenzen sind, die  Menschen trennen!” Ein schöner Satz, Balsam für die geschundene linke Seele; ein Satz, den ich so in diesem  Text schreiben wollte. Doch auch ein falscher  Satz.

Denn die jetzt vielerorts  beschworene “Einheit” ist trügerisch. Es mag zwar zunächst erfreulich  erscheinen, wenn nun die USA und Russland ihre diplomatische Eiszeit  beenden. Doch wenn dies dazu dienen soll, dass”der Westen”  “seine Werte” gegen “das Böse” verteidigt,  muss die Frage gestellt werden, worum es dabei eigentlich gehen soll.  Um die “Freiheit”? Oder letztlich doch nur  um den Erhalt des Konzepts kapitalistischer Nationalstaaten – die durch  ihr Handeln selbst erst  die Rahmenbedingungen für die Entstehung des Terrorismus geschaffen  haben?

Man müsse zusammenrücken und gemeinsam gegen den Terror kämpfen – diese  Argumentation klingt nur allzu vertraut. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Feindbild konstruiert wird, um anhand dieser vermeintlichen gemeinsamen Bedrohung  zusammenzubringen, was nicht zusammen gehört.  Als Paradebeispiel einer  solch unrühmlichen Allianz sei nur an George W. Bushs “Koalition der  Willigen” während des Irakkriegs verwiesen.

Nachdem sogar Anonymous – vormals dezidiert antinational – in den Chor derjeniger einstimmt, die dem IS den “Krieg erklären”, erinnert die aktuelle Situation ungemein an den wilhelminischen Burgfrieden während des Ersten Weltkriegs.

Und  während hierzulande zahlreiche Medien mit ihrer hysterischen  Berichterstattung weitere Panik verbreiten, nutzen Politiker*innen die vermeintliche “Krise” für ihre Zwecke: Rechtspopulisten wie Horst Seehofer bemühen sich, die Anschläge zu einem Wendepunkt in der deutschen  Asylpolitik zu stilisieren. Der  Terror soll als Begründung für weitere  Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl herhalten; Regelungen zu Obergrenzen oder “europaweiten Kontingenten” für  Geflüchtete werden derzeit von Union, SPD und selbst weiten Teilen der  grünen Grünen unterstützt. Damit werden ausgerechnet diejenigen  Menschen, die vor Terrorismus fliehen, die fern ihrer Heimat auf ein  Leben in Freiheit und Frieden hoffen, als potentielle Terroristen  abgestempelt. 

Natürlich ließen auch die üblichen Forderungen nach einer Erweiterung der staatlichen  Geheimdienste und ihrer Möglichkeiten zur Überwachung nicht lange auf sich warten. Innenminister de Maizière opfert die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit nur allzu bereitwillig. Und schließlich: Die Rufe nach nach militärischer Intervention, nach „Gegen-Gewalt“, nach  Rache.

In diesen Rufen zeigt sich deutlich, wie wenig weite Teile der Politik aus den vergangenen Monaten gelernt haben. Wenn die Anschläge der vergangenen Wochen irgendetwas gezeigt haben, dann ist es das Scheitern der bisherigen „westlichen“ Strategie der Terrorismusbekämpfung. Militärische Interventionen haben Terrorismus nicht verhindert, ebenso wenig wie die Vorratsdatenspeicherung (die in Frankreich bereits existiert) oder die weitere Abriegelung der Festung Europa – und werden dies auch künftig nicht tun.

Was eine Woche nach den Anschlägen in Paris bleibt, ist also die Erkenntnis, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss an der europäischen Politik. Kurzfristig müssen Waffenexporte gestoppt und Bündnisse mit Diktatoren beendet werden. Legaler Einreisewege für Menschen auf der Flucht bedarf es ebenso wie einer Behebung der massiven weltwirtschaftlichen Gefälle. Doch wenn dies gelingen soll –  wenn die Spirale der Gewalt wirklich durchbrochen werden soll – dürfen wir nicht zulassen, dass die internationale Solidarität zum Vorwand wird, um neoimperialistische Gewaltphantasien auszuleben! Mehr denn je müssen wir nun dafür kämpfen, dass sich einige Menschen in Europa zunächst einmal an die eigene Nase fassen!

Tag der deutschen Einheit – kein Grund zum Feiern!

refugees_welcomeDie Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg kritisiert vor dem Hintergrund der aktuellen  politischen Lage die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Viele feiern nun den Wegfall einer Grenze, nehmen aber zugleich die Aussetzung des Schengener Abkommens zur  Abwehr von Geflüchteten hin. 25 Jahre nach dem Mauerfall haben offenbar viele Deutsche nicht begriffen, dass Grenzen Menschenleben kosten – auch heute in Europa.

Deutschland schottet sich ab!

“Es ist zynisch, das Schengener Abkommen gerade dann auszusetzen und  innereuropäische Grenzen zu schließen, wenn Menschen in schlimmster Not nach Europa kommen. An steigenden Flüchtlingszahlen hat Deutschland durch seine aggressive Außen- und Wirtschaftspolitik Mitschuld. Jetzt versteckt man sich vor den Folgen der eigenen Politik, indem man immer menschenunwürdigere Gesetze gegen  Geflüchtete erlässt. Hier bestrafen politische Täter*innen die flüchtenden Opfer!“, so Vanessa Kohm, Landesgeschäftsführerin der Linksjugend Baden-Württemberg.

„Sichere Herkunftsstaaten“ gibt es nicht! 

Eine klare Absage erteilt Landessprecher Symeon Börner der Auffassung, dass es sich bei Balkanstaaten um sichere  Herkunftsländer handelt: “Sinti und Roma sind auf den Balkanstaaten massivsten rassistischen Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei Sinti und Roma zehn Jahre unter der dortigen Bevölkerung. Sie haben kaum Aussicht auf ein gesichertes Einkommen. Ihre Häuser werden bei Pogromen angezündet. Zugleich ist Antiziganismus – also Vorurteile gegen Sinti und Roma – in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet. Keine andere im Dritten Reich verfolgte Menschengruppe erfährt bis heute so viel Diskriminierung. Ein genereller rechtlicher Status bleibt ihnen seit Jahrhunderten verwehrt.“ 

Grenzen öffnen – weltweit!

Angesichts dieser Umstände fordern wir anstelle der jährlichen Lippenbekenntnisse zum Tag der deutschen Einheit eine solidarische Politik für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Handicap, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit sowie sexueller Orientierung.