Archiv der Kategorie: Kommentar

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Terror und Anti-Terror

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Angehender Architekt orwellscher Alpträume: Innenminister Thomas de Maizière

Nach zahlreichen Terroranschlägen herrscht in vielen Ländern Europas Ausnahmezustand – im wörtlichen Sinne. Doch neben aufrichtiger Solidarität bieten die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft durchaus Anlass zur Sorge. Nicht wenige versuchen, den nun geforderten internationale Zusammenhalt als Vorwand für die Errichtung eines faschistischen Überwachungsstaates zu missbrauchen.

In den vergangenen Wochen verübte der Islamische Staat mehrere schreckliche Anschläge in vielen Teilen der Welt; ein russisches Passagierflugzeug wurde vermutlich durch eine Bombe zum Absturz gebracht, Selbstmordanschläge erschütterten Beirut und, am vergangenen Freitag, Paris. Seither folgten ein Bombenanschlag in Yola, Nigeria, sowie eine Geiselnahme in Bamako, Mali, vermutlich ebenfalls aus dem Umfeld von IS und Boko Haram.

Insbesondere infolge der Anschläge in Frankreich überschlugen sich in den letzten Tagen die Reaktionen. Zum einen zeigte sich eine Welle der Solidarität mit den Menschen in Frankreich und den Angehörigen der Opfer, die ohne Ansehung ihrer Herkunft oder Weltanschauung getötet wurden. Diese Solidarität ist schön – auch wenn sich natürlich darüber streiten lässt, warum diese bei den Anschlägen in Beirut, Yola oder jenen, die sich immer wieder in anderen Teilen der Welt ereignen, immer wieder ausbleibt.

Auch und gerade als links denkende Personn mag man versucht sein, sich dieser Welle der internationalen Solidarität anzuschließen. “Nie war so deutlich dass es nicht nationale Grenzen sind, die  Menschen trennen!” Ein schöner Satz, Balsam für die geschundene linke Seele; ein Satz, den ich so in diesem  Text schreiben wollte. Doch auch ein falscher  Satz.

Denn die jetzt vielerorts  beschworene “Einheit” ist trügerisch. Es mag zwar zunächst erfreulich  erscheinen, wenn nun die USA und Russland ihre diplomatische Eiszeit  beenden. Doch wenn dies dazu dienen soll, dass”der Westen”  “seine Werte” gegen “das Böse” verteidigt,  muss die Frage gestellt werden, worum es dabei eigentlich gehen soll.  Um die “Freiheit”? Oder letztlich doch nur  um den Erhalt des Konzepts kapitalistischer Nationalstaaten – die durch  ihr Handeln selbst erst  die Rahmenbedingungen für die Entstehung des Terrorismus geschaffen  haben?

Man müsse zusammenrücken und gemeinsam gegen den Terror kämpfen – diese  Argumentation klingt nur allzu vertraut. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Feindbild konstruiert wird, um anhand dieser vermeintlichen gemeinsamen Bedrohung  zusammenzubringen, was nicht zusammen gehört.  Als Paradebeispiel einer  solch unrühmlichen Allianz sei nur an George W. Bushs “Koalition der  Willigen” während des Irakkriegs verwiesen.

Nachdem sogar Anonymous – vormals dezidiert antinational – in den Chor derjeniger einstimmt, die dem IS den “Krieg erklären”, erinnert die aktuelle Situation ungemein an den wilhelminischen Burgfrieden während des Ersten Weltkriegs.

Und  während hierzulande zahlreiche Medien mit ihrer hysterischen  Berichterstattung weitere Panik verbreiten, nutzen Politiker*innen die vermeintliche “Krise” für ihre Zwecke: Rechtspopulisten wie Horst Seehofer bemühen sich, die Anschläge zu einem Wendepunkt in der deutschen  Asylpolitik zu stilisieren. Der  Terror soll als Begründung für weitere  Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl herhalten; Regelungen zu Obergrenzen oder “europaweiten Kontingenten” für  Geflüchtete werden derzeit von Union, SPD und selbst weiten Teilen der  grünen Grünen unterstützt. Damit werden ausgerechnet diejenigen  Menschen, die vor Terrorismus fliehen, die fern ihrer Heimat auf ein  Leben in Freiheit und Frieden hoffen, als potentielle Terroristen  abgestempelt. 

Natürlich ließen auch die üblichen Forderungen nach einer Erweiterung der staatlichen  Geheimdienste und ihrer Möglichkeiten zur Überwachung nicht lange auf sich warten. Innenminister de Maizière opfert die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit nur allzu bereitwillig. Und schließlich: Die Rufe nach nach militärischer Intervention, nach „Gegen-Gewalt“, nach  Rache.

In diesen Rufen zeigt sich deutlich, wie wenig weite Teile der Politik aus den vergangenen Monaten gelernt haben. Wenn die Anschläge der vergangenen Wochen irgendetwas gezeigt haben, dann ist es das Scheitern der bisherigen „westlichen“ Strategie der Terrorismusbekämpfung. Militärische Interventionen haben Terrorismus nicht verhindert, ebenso wenig wie die Vorratsdatenspeicherung (die in Frankreich bereits existiert) oder die weitere Abriegelung der Festung Europa – und werden dies auch künftig nicht tun.

Was eine Woche nach den Anschlägen in Paris bleibt, ist also die Erkenntnis, dass sich etwas Grundlegendes ändern muss an der europäischen Politik. Kurzfristig müssen Waffenexporte gestoppt und Bündnisse mit Diktatoren beendet werden. Legaler Einreisewege für Menschen auf der Flucht bedarf es ebenso wie einer Behebung der massiven weltwirtschaftlichen Gefälle. Doch wenn dies gelingen soll –  wenn die Spirale der Gewalt wirklich durchbrochen werden soll – dürfen wir nicht zulassen, dass die internationale Solidarität zum Vorwand wird, um neoimperialistische Gewaltphantasien auszuleben! Mehr denn je müssen wir nun dafür kämpfen, dass sich einige Menschen in Europa zunächst einmal an die eigene Nase fassen!

PM: DieLinke.SDS und Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg kritisieren den Angriffskurs der CDU gegen die Errungenschafften des Bildungsstreiks

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Das Motto des Bildungsstreiks gegen die Bildungspolitik der CDU-Regierung

DieLinke.SDS und Linksjugend [‘solid]  Baden-Württemberg kritisieren den Vorschlag der CDU, die Verfasste Studierendenschaft durch weitere Auflagen einzuengen.

Laut einer Pressemitteilung will die CDU¹ bei den Studierendenvertretungen gesetzlich “nachbessern”. Dabei zeigt die CDU eine Unfähigkeit, Demokratie zu akzeptieren und sinnvolle Regelungen zu ermöglichen. Stattdessen versucht die Union, politisch tätige Studierendenschaften wieder weitgehend zu verbieten, wie es von 1977 bis 2012 in Baden-Württemberg dank dem Ministerpräsident und NS-Richter Hans Filbinger der Fall war. Die CDU fordert landesweite einheitliche Regelungen, wo bisher Diversität die Hochschullandschaft bereichert hat, und eine Machtkonzentration beim MWK (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst), womit sie versucht die Autonomie der Studierendenschaften und der Hochschulen auszuhebeln und studentisches Engagement an allen Stellen einzuschränken.

Demokratie ausprobieren statt Bundestag spielen

Einer der grundlegenden Forderungen der CDU ist es, verfassten Studierendenschaften gesetzlich ein Palamentaristisches System überzustülpen statt wie bisher die Studierenden selber entscheiden zu lassen, wie sie sich organisieren wollen. DieLinke.SDS und die Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg lehnen diesen Vorstoß entschieden ab. “Eine Festlegung der Ausgestaltung der Verfassten Studierendenschaft von oben herab ist Gift für die demokratische Beteiligung an den Hochschulen. Lange gewachsene radikaldemokratische Konzepte wie Fachschaftsräte oder ein hoher Stellenwert der Vollversammlung würden abgeschafft. Dabei bietet gerade die Vielfalt der Verfassten Studierendenschaften in Baden-Württemberg die Möglichkeit, Demokratie in ihren verschiedenen Formen zu leben und daraus auch Erfahrungen zu sammeln, wie unser Demokratisches System verbessert werden könnte,” erklärt Hilke Hochheiden von DieLinke.SDS Baden-Württemberg.

Hochschulpolitik ist Allgemeinpolitik!

Nach der Auffassung der CDU sollen die Studierendenschaften sich nur noch zu “Hochschulpolitik” äußern dürfen. Diese seit den 1970er Jahren bestehende imaginäre Linie  zwischen “Hochschulpolitik” und “Allgemeinpolitik” wird zwar von einigen Gruppierungen immer wieder wie eine Monstranz vor sich hergetragen, erntet aber inzwischen sogar bei Verwaltungsgerichten stetige Kritik (vgl. Position des fzs²). Durch diese Trennung wird unterstellt, dass eine Hochschule und die Verhältnisse, die an und in ihr herrschen, vollkommen abgekapselt wären von der Gesellschaft und den Verhältnissen, die dort vorzufinden sind. Aljoscha Hartmann von der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg kommentiert: “Diese Trennung dient in erster Linie nur dazu, unliebsame politische Äußerungen mit dem Vorwurf der “Mandatsüberschreitung” zu delegitimieren. Durch ihre Forderung missachtet die CDU die Verantwortung der Wissenschaft in Studium und Forschung gegenüber der Gesellschaft und versucht kritischen politischen Diskurs zu unterbinden.”

Die Rechtsaufsicht dezentral lassen!

Bisher liegt die Rechtsaufsicht über die Studierendenvertretungen in erster Linie bei den Hochschulen und das MWK kann im Konfliktfall eingreifen. Auch diese dezentrale Aufteilung möchte die CDU durch eine direkte Aufsicht durch das MWK ersetzen. Dabei wird die Autonomie der Hochschulen angegriffen und das MWK mit zusätzlichen Aufwand belastet, der genauso gut von den Rechtsabteilungen der Rektorate bewältigt wird. Alexander Hummel von DieLinke.SDS Heidelberg erklärt dazu: “Der Vorstoß der CDU zeigt, dass sie eine klare Autorität der Regierung gegenüber den Studierendenschaften etablieren will, anstelle Kompetenzen in flacheren Hierarchien zu verteilen. Aus einer reinen Kontrolle der Rechtmäßigkeit soll so eine politische Kontrolle über die Studierenden errungen werden. Solch eine Machtpolitik lehnen wir entschieden ab!”

Bedarfsgerechte Verwendung von Geldern statt einheitliche Regeln!

Zur Forderung, das Land möge den Verfassten Studierendenschaften klare Vorgaben machen, bis zu welcher Höhe der Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) Finanzbeschlüsse selber fassen kann erklärt Vanessa Kohm, Landessprecherin der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg: “Aus der Forderung spricht ein tiefes Misstrauen gegen die Studierenden. Bereits heute legen die Verfassten Studierendenschaften in ihren Satzungen beziehungsweise Finanzordnungen autonom fest, wer über welche Mittel in welcher Höhe entscheiden darf. Diese Freiheit ist auch notwendig, um an die lokalen Begebenheiten angepasst arbeiten zu können. Festlegungen von oben führen daher eben nicht zu mehr Transparenz und Klarheit, sondern im Zweifelsfall zu mehr Bürokratie und einer Endmündigung der Studierenden, indem ihnen das Recht genommen wird, selbst darüber zu entscheiden wer über ihre Gelder entscheidet.”

Ehrenamtliches Engagement wertschätzen!

Studierende, die sich neben dem Studium noch im AStA oder in der Referatekonferenz engagieren, haben in aller Regel keine Zeit, auch noch zu arbeiten. Dabei sind immer mehr Studierende auf ein Zusatzeinkommen angewiesen. Das BAföG ist noch immer zu niedrig, gleichzeitig ist in vielen Hochschulstädten Baden-Württembergs bezahlbarer Wohnraum eine Mangelware.
“Studierenden, die sich in ASten oder Referaten engagieren eine Aufwandsentschädigung abzusprechen, erklärt das hochschulpolitische Engagement zu einer Luxusbetätigung, die sich nur wohlhabende Studierende leisten können. Für diejenigen, die für ihre Studiumsfinanzierung arbeiten müssen, wird die politische Betätigung hingegen unnötig erschwert. Wer sich im AStA oder in den Referaten einbringt, nimmt dafür bereits eine Verlängerung seines Studiums in Kauf. Die Aufwandsentschädigung ist auch eine Wertschätzung für diesen Mehraufwand. Ein bedarfdeckendes Studienhonorar für alle halten wir zwar für die bessere Lösung, aber so lange dies noch Zukunftsmusik ist, ist eine Deckelung der Aufwandsentschädigung auf 200€/Monat der falsche Weg”, so Lisa Glasner, Landessprecherin von DieLinke.SDS Baden-Württemberg.

Mehr Kompetenzen für mehr Akzeptanz der Studierendenschaft!

Die CDU möchte die Wahlbeteiligung an den Hochschulen erhöhen, gleichzeitig versuchen sie aber überall die Kompetenzen der Studierenden zu beschneiden. “Es ist offensichtlich, dass mehr Studierende wählen würden, wenn die Studierendenvertreter*innen auch mehr mitzureden hätten. Die Forderungen der CDU laufen diesem Ziel komplett zuwider. Die Politik der Union ist hier absolut kontraproduktiv!” stellt Symeon Börner, Landessprecher der Linksjugend [‘solid] Baden-Württemberg fest. Börner erläutert weiter:  “Die Studierenden versuchen immer wieder mehr Möglichkeiten  für eine studentische Beteiligung zu schaffen. Projekte wir Onlinewahlen wurden maßgeblich von den Studierendenvertretungen in Angriff genommen. Wenn jedoch tatsächliche Mitsprachemöglichkeiten genommen werden ist es kein Wunder, dass Studierende auch nicht mehr wählen gehen.”

PEGIDA – Eine Schande?

Seit einigen Wochen geschieht in Deutschland Beunruhigendes: Die Bewegung der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ fordert den Erhalt vermeintlich christlicher, deutscher Werte – und gewinnt dabei stetig an Zulauf aus der Bevölkerung. Politiker aller Couleur ringen seither um Fassung und eine adäquate Haltung zu der Gruppierung.
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Dabei überrascht es nicht, dass konservative Stimmen sich dagegen verwehren, die Bewegung als rechtsextrem einzustufen oder gar einen konstruktiven Dialog fordern. Doch auch der rhetorische Rundumschlag des Bundesjustizministers Heiko Maas, der PEGIDA in markigen Worten als eine „Schande für Deutschland“ bezeichnete, greift zu kurz. Um eine sachgerechte Kritik zu entwickeln, muss die Gruppe eingehender betrachtet werden. Weiterlesen

Keine Markierungen für Obdachlose

Es klingt wie Satire, ist es aber nicht: Die Stadtverwaltung von Marseille markiert Obdachlose mit einem klar erkennbaren gelben Dreieck auf dem persönliche Informationen stehen, angeblich damit ihnen im Notfall besser geholfen werden kann. Eine Praxis, die gleich an mehreren Punkten absolut untragbar ist.

Zunächst ist da die offensichtliche Symbolik. Das gelbe Dreieck erinnert unangenehm an den Gelben Judenstern aus dem dritten Reich. Auch bis zum schwarzen Winkel, mit dem die Nazis die “Asozialen”, zu denen auch die Obdachlosen zählten, markierten ist es nicht besonders weit.

Doch auch wenn Marseille sich für ein weniger historisch vorbelastetes Kennzeichen entschieden hätte, wäre die Markierung von Obdachlosen falsch. Obdachlose sind ohnehin schon eine gesellschaftlich ausgegrenzte und diskriminierte Randgruppe. Menschen sichtbar als obdachlos zu markieren, wird dazu führen, dass diese Menschen noch weiter gemieden werden als ohnehin schon. Obdachlosen wird nicht durch weitere Stigmatisierung geholfen. Weiterlesen